Ist die StPO jetzt auch im Strafvollzugsverfahren anwendbar?

Ein Anwalt hat seinen Klienten als amtlicher Verteidiger (!) erfolgreich gegen die beantragte Rückversetzung in eine stationäre Massnahme verteidigt. Dabei wurde dem amtlichen Verteidiger das Honorar gekürzt, wogegen sich der Klient (der Klient?) beim zuständigen Kantonsgericht beschwerte, das ihm die Beschwerdelegitimation absprach. Die dagegen geführte Beschwerde weist das Bundesgericht ab (BGer 6B_45/2012 vom 07.05.2012). Es verweigert ihm die unentgeltliche Rechtspflege, verzichtet aber auf eine Kostenauflage,

weil die Beschwerde an Trölerei grenzt, das anwaltliche Verhalten dem Beschwerdeführer aber nicht zuzurechnen ist (E. 2).

Wenn ich die Erwägungen des Bundesgerichts richtig verstehe, machte der Beschwerdeführer geltend, bei Obsiegen werde die unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos, weshalb ihm (und nicht seinem Anwalt) eine Parteientschädigung zuzusprechen sei. Genau so handhabt es jedenfalls das Bundesgericht, was dann jeweils zu unnötigen Revisionsverfahren führt (s. einen meiner früheren Beiträge dazu). Bei der amtlichen Verteidigung ist allerdings alles anders, wobei mir nicht einleuchtet, wieso für ein Verfahren, das sich ausschliesslich um Vollzugsfragen dreht, die Strafprozessordnung und damit die Vorschriften über die amtliche Verteidigung anwendbar sein sollen. Aus Art. 1 StPO kann ich das jedenfalls nicht ableiten. Das Bundesgericht geht von der Anwendbarkeit der Strafprozessordnung aus, was der Beschwerdeführer “zu Recht” nicht anfechte (E. 1). Es baut daher seinen Entscheid auf die Lehre und Rechtsprechung zu Art. 135 StPO:

Mit dieser Rechtsauffassung verkennt der Beschwerdeführer, dass die amtliche Verteidigung bei Obsiegen nicht gegenstandslos wird. Das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen dem Staat und dem von ihm ernannten amtlichen Verteidiger wandelt sich nicht in ein privates Rechtsverhältnis zwischen dem amtlichen Verteidiger und dessen Mandanten, sobald dieser mit dem Rechtsmittel durchdringt (Urteil 6B_183/2007 vom 5. September 2007 E. 3.2). Die Honorierung des amtlichen Verteidigers ist – unabhängig vom Verfahrensausgang – Sache des Staates und die Bemessung der Entschädigung eine Angelegenheit zwischen diesem und dem von ihm ernannten Anwalt. Auch bei Obsiegen ist das Honorar dem amtlichen Verteidiger geschuldet, welcher die Honorarfestsetzung persönlich und in eigenem Namen anfechten kann. Der Ausgang des Verfahrens wirkt sich nicht auf die Rechtsnatur der Verteidigung aus. Dass die Gleichstellung des amtlichen Honorars mit demjenigen für die private Verteidigung tendenziell anzustreben ist (HAEFELIN, a.a.o., S. 296 mit weiteren Hinweisen; PHILIPPE WEISSENBERGER, Zum Anspruch des amtlichen Rechtsbeistandes auf Parteientschädigung im Beschwerdeverfahren gegen Honorarentscheide am Beispiel des baselstädtischen Rechts, BJM 5/2000, S. 221 ff., 225; vgl. auch 6B_63/2010 vom 6. Mai 2010 E. 2.4), ändert nichts daran, dass der Entschädigungsanspruch alleine dem amtlichen Verteidiger zusteht (E. 1.4).

Ich werde den Eindruck nicht los, dass hier ein Anwalt und ein Gericht aneinander vorbei argumentiert haben, das Bundesgericht aber letztlich die StPO ausserhalb ihres Geltungsbereichs anwendet. Art. 1 StPO lässt freundlich grüssen. Unter diesen Umständen habe ich Mühe damit, den Anwalt indirekt der Trölerei zu bezichtigen. Er hat eigentlich nur konsequent im Sinne seiner Rechtsauffassung gehandelt und die Beschwerde im Namen seines Klienten führen müssen. Ich glaube sogar, dass seine Rechtsauffassung richtig ist. Oder ist diese Auffassung trölerisch?

NACHTRAG: Ich habe da vielleicht etwas übersehen. Es handelte sich wohl um ein Nachverfahren nach Art. 363 ff. StPO. Wie hier die Rechtsstellung der “Verteidigung” wäre, ist mir allerdings nicht klar.