Journalistin vor Bundesgericht

Die Welle der Ehrverletzungsprozesse gegen Personen, die von Berufs wegen sprechen wollen, sollen und müssen (Anwälte, Kolumnisten und Journalisten) ebbt nicht ab.

In 6S.83/2007 vom 17.05.2007 hat das Bundesgericht die Nichtigkeitsbeschwerde von Mirko Kovats in Fünferbesetzung abgewiesen und damit den Freispruch einer Wirtschaftsjournalistin des Tages-Anzeiger bestätigt. Aus dem Urteil:

Abgesehen von der besonderen Regelung von Art. 27bis StGB geniesst der Journalist bei Vorliegen einer Ehrverletzung durch die Presse keinerlei Privilegien (BGE 131 IV 160 E. 3.3.2; 105 IV 119 E. 2a). Das Gericht kann nur innerhalb des ihm vom Gesetz vorgegebenen Rahmens der speziellen Situation und der besonderen Aufgabe der Presse Rechnung tragen. Die eigentliche Auslegung der Straftatbestände gemäss Art. 173 ff. StGB ist demnach für jedermann dieselbe, ob er sich nun des Mittels der Presse bedient hat oder nicht (E. 4).

Das dürfte der gute Frank A. Meyer aber gerne hören (vgl. meinen früheren Beitrag). Aber weiter im Text:

Dem Beschwerdeführer wird mithin als Ziel seines Engagements bei der Y. ein spekulatives Gewinnstreben in eigener Sache unterstellt. Diese Unterstellung greift die strafrechtlich geschützte Ehre nicht an. Der Vorwurf ehrenrühriger oder strafbarer Handlungen lässt sich aus dem umstrittenen Zeitungsartikel mithin nicht herauslesen. Für sich alleine genommen – daraufwe ist auch die Vorinstanz hin – könnte die inkriminierte Äusserung zwar den Eindruck erwecken, man unterstelle dem Beschwerdeführer, dass er sich zum Nachteil der Y. bzw. deren Aktionäre bereichern wolle. Wird jedoch der Gesamtzusammenhang berücksichtigt, in dem die beanstandete Äusserung erfolgt, so erhellt ohne weiteres, dass dem Beschwerdeführer damit gerade kein strafbares oder auch bloss strafwürdiges Verhalten zur Last gelegt wird. Vielmehr geht es insgesamt nur um eine Kritik an seiner Geschäftstätigkeit. Eine derartige Kritik ist – wie dargelegt – nicht ehrenrührig. Der objektive Tatbestand von Art. 173 ff. StGB ist mithin nicht erfüllt (E. 5).

Da hat es aber aus Lausanne auch schon weniger grosszügig getönt. Bleibt zu hoffen, dass in Zukunft weiterhin so stark auf den Gesamtzusammenhang abgestellt wird und nicht darauf, was eine an sich nicht tatbestandsmässige Kritik für tatbestandsmässige Rückschlüsse auf den Charakter des Kritisierten zulässt.

Polizisten etwa sollte man jedenfalls im Kanton Solothurn nur mit grösster Zurückhaltung kritisieren. Wer etwa behauptet, ein Polizist habe eine unzulässige Methode angewendet, der verletzt den Polizisten nach seiner Vorstellung automatisch auch in seinem strafrechtlich geschützten Ehrgefühl (so empfand es auch Kovats). Mit etwas Glück kommt es dann nach ein paar Jahren Prozessdauer zum Freispruch, aber der Prozess allein ist eine immer wieder unterschätzte Belastung.