Justiz im Wutmodus

In der NZZ vom 4. September ist der Gastkommentar von Mario Gmür “Justiz im Wutmodus” erschienen. Heute publiziert das Bundesgericht einen Entscheid, der demonstriert, was Gmür anspricht (BGer 6B_661/2018 vom 24.08.2018).

Im zu entscheidenden Fall ging es um eine Massnahme nach Art. 15 Abs. 2 JStG, die seit 2014 ohne jede Einlassung des Betroffenen vollzogen oder eben nicht vollzogen wird. Das beeindruckt das Bundesgericht freilich nicht. Die Justiz darf sich schliesslich nicht erpressen lassen. Wer nicht so tut als würde er mitmachen, wird aufbewahrt bis es gesetzlich nicht mehr möglich ist.

Eine Massnahme kann sich gerade aufdrängen, wenn ein Jugendlicher jegliche Zusammenarbeit verweigert, therapeutisch-erzieherisch unerreichbar ist und zudem weitere schwere Delikte begeht bzw. sich in immer grössere Schwierigkeiten verstrickt (…). Mit fehlender Motivation und schlechter Führung soll der Jugendliche nicht eine weniger eingreifende Massnahme erzwingen können (…). Jungen Straftätern soll durch die Massnahme gerade die Chance einer noch möglichen Förderung ihrer Persönlichkeitsentwicklung eröffnet werden (…).
Mit seinem Verhalten versucht der Beschwerdeführer offenkundig, den Abbruch der Massnahme zu erzwingen. Dies verdient von vornherein keinen Rechtsschutz. Dass die Massnahme mittelfristig keine erzieherische oder therapeutische Wirkung mehr haben könnte, ist nicht erwiesen. Die Vorinstanz hat dies unter Berücksichtigung der gutachterlichen Empfehlung zu einer längerfristig angelegten Massnahme verneint und den Ausführungen des Beschwerdeführers lässt sich nichts entnehmen, das eine Abweichung von der gutachterlichen Einschätzung begründen könnte. Vielmehr rechtfertigt der Beschwerdeführer mit der Verweigerung der Zusammenarbeit und dem gezeigten therapeutisch-erzieherisch schwer erreichbaren Verhalten die Massnahme. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im weiteren Massnahmevollzug Kooperationsbereitschaft zeigt. Davon ausgehend ist nicht auf die Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen, er werde sich bis zur Vollendung des 25. Altersjahres im geschlossenen Massnahmevollzug befinden, zumal die Aufhebung der Massnahme nach Art. 19 Abs. 1 JStG jährlich überprüft wird.
Schliesslich verkennt der Beschwerdeführer, dass die Verhältnismässigkeit der Massnahme nicht von der Dauer der ursprünglich angeordneten Freiheitsstrafe abhängt, sondern von deren Eignung, die Legalprognose zu verbessern. Dass seine Erziehung und Behandlung durch eine geeignete, mildere Massnahme sichergestellt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Schliesslich ist die Massnahme auch angesichts des von ihm anerkannten Behandlungsbedürfnisses als verhältnismässig zu qualifizieren (E. 1.4, Hervorhebungen durch mich).
Bestimmt meint es das Bundesgericht nur gut mit dem armen jungen Mann, der das in ein paar Jahren dann bestimmt auch dankend anerkennen wird.