Kasse vor Recht
Wären alle staatlichen Institutionen so “kostenbewusst” wie die Justiz, könnte man die Steuern in diesem Land sofort um die Hälfte senken. Dabei ist der Justiz offenbar fast nichts mehr zu schade, um die Staatskasse zu schonen (und gegenüber den mit der Budgethoheit ausgestatteten Institutionen als vorbildliche Staatsdiener zu brillieren). Dabei nimmt die Justiz – ausgerechnet die Justiz – auch offensichtliche Rechtsverletzungen in Kauf, wie dies das Bundesgericht in einem neuen Urteil feststellen musste (BGer 6B_415/2014 vom 27.10.2014).
Dem Entscheid liegt ein Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich zugrunde, das auf eine Beschwerde gegen eine Verfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich mangels Zuständigkeit (!) nicht eingetreten war und damit versucht hat, allfällige Entschädigungsansprüche aus einem ursprünglich im Kanton St. Gallen eingeleiteten Strafverfahren diesem Kanton anzuhängen:
Indem die Vorinstanz mit der Begründung, sie sei nicht zuständig, auf die Beschwerde des Beschwerdeführers nicht eintrat, verletzt sie Art. 322 Abs. 2 StPO und die Rechtsweggarantie nach Art. 29a BV. Sie war offensichtlich zuständig für seine Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. b und Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO i.V.m. § 49 des Gesetzes über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess vom 10. Mai 2010 [GOG/ZH]). Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, der Beschwerdeführer hätte die Entschädigung im Kanton St. Gallen geltend machen müssen, weil das Strafverfahren da zu Unrecht eingeleitet wurde. Dabei scheint sie aber die Fragen, ob eine Entschädigungspflicht besteht, welchen Kanton diese gegebenenfalls trifft und ob eine Überwälzung der geleisteten Entschädigung an einen anderen Kanton möglich ist, mit der Frage zu vermengen, wer diese zu prüfen und darüber zu entscheiden hat. Soweit die Vorinstanz dem Beschwerdeführer sinngemäss vorwirft, er hätte sich gegen den Entscheid des Kreisgerichts St. Gallen wenden müssen, scheint sie zu verkennen, dass dieses zwar die Kosten regelt, sich aber nicht zu einem Entschädigungsanspruch des Beschwerdeführers äussert. Dazu war es bei der Ausfällung seines Entscheids, der das Verfahren nicht erledigte, auch nicht verpflichtet (vgl. Art. 421 StPO) [E. 1.4].
Damit stellt sich m.E. einmal mehr die Frage nach der Unabhängigkeit der Justiz. Solange sie finanziell von den anderen Gewalten abhängig ist, wird sie tendenziell nach deren Pfeife tanzen, und zwar ob sie will oder nicht.
So ganz abwegig ist es aber nicht, dass jener Kanton die Kosten tragen soll, der sie verursacht hat. Das Bundesgericht hat ja wiederholt betont, dass derjenige die Kosten trägt, der sie verursacht hat. Von daher kann man hier wohl nicht sagen, der Kanton Zürich habe die Kosten einem anderen “anhängen” wollen. Zudem beachte man mal das Urteil 1B_38/2013.
Abwegig ist, auf die Beschwerde nicht einzutreten. Über alles andere kann man durchaus diskutieren.
@Kevin Die Staatsanwaltschaft hat mit der Einstellung v.A.w. über die Entschädigung zu befinden (Art. 429 StPO). Aus welcher Kasse das Geld kommt, interessiert den Beschuldigten nicht, hat ihn auch nicht zu interessieren.
Allenfalls könnte hier der entscheidende Kanton – nicht der Beschuldigte (!) analog Art. 47 Abs. 4 StPO versuchen Regress zu nehmen. Es dürfte allerdings billiger sein, die Entschädigung zu zahlen.