Kein (absoluter) Anspruch auf Anhörung von Entlastungszeugen

Das Bundesgericht weist eine Beschwerde wegen Verletzung des Gehörsanspruchs ab (BGer 6B_985/2008 vom 28.01.2009). Der Beschwerdeführer sah die Gehörsverletzung darin, dass die von ihm beantragten Entlastungszeugen nicht befragt worden sind. Interessant dazu sind die theoretischen Erwägungen des Bundesgerichts:

Der Anspruch auf Befragung von Zeugen ist Teil des rechtlichen Gehörs, welches seine Grundlage im Anspruch auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 29 Abs. 1 und 2 BV hat (BGE 134 I 140 E. 5.2 S. 147). Das Recht auf die Ladung und Befragung von Entlastungszeugen ist im Gegensatz zur Befragung von Belastungszeugen relativer Natur. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn der Richter nur jene Beweisbegehren berücksichtigt, die nach seiner Würdigung entscheiderheblich sind (BGE 129 I 151 E. 3.1 S. 154 mit Hinweis). Ein Verzicht auf die Abnahme von weiteren Beweisen ist zulässig, wenn sich das Gericht auf Grund der bereits erhobenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass die abgelehnten Beweisanträge nichts an seiner Überzeugung zu ändern vermögen. Die Verfassungsgarantie steht einer antizipierten Beweiswürdigung nicht entgegen (BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148 mit Hinweisen) (E. 2.1, Hervorhebungen durch mich).

Die in der Schweiz übliche (und bereits bei den Tatsacheninstanzen sehr verbreitete) antizipierte Beweiswürdigung erscheint mir als problematisch. Ohne das Ergebnis einer Beweisabnahme zu kennen, kann man doch grundsätzlich nicht unvoreingenommen behaupten, es würde an der bereits gewonnenen Überzeugung nichts ändern. 

Für den Betroffenen dürfte die Abweisung der Beschwerde umso unverständlicher sein, wenn er im zitierten Entscheid liest, mit welcher Begründung auch seine in dubio-Rüge abgewiesen wurde:

Die Vorinstanz erwog eingangs ihrer Beweiswürdigung (…), die Aussagen der Beteiligten, d.h. der beiden Mitangeklagten, der Zeugen und des Opfers ergäben “kein einheitliches Bild”. Dies bedeutet entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht, das Gericht hätte demzufolge unüberwindbare Zweifel haben müssen, wie sich der Sachverhalt zugetragen habe. Der Hinweis der Vorinstanz ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass nicht alle Aussagen der befragten Personen inklusive jene der beiden Angeklagten und der Entlastungszeugen übereinstimmen. Im Folgenden hat die Vorinstanz die Aussagen sämtlicher Zeugen und der beiden Angeklagten präzise und ausführlich gewürdigt (E. 1.4).