Kein Anspruch auf elektronische Zustellung
Aus Art. 86 StPO kann ein Anwalt keinen Anspruch auf elektronische Zustellungen ableiten (BGE 1B_249/2020 vom 04.06.2021, Publikation in der AS vorgesehen). Der Entscheid des Bundesgerichts scheint angesichts der Verfahrensdauer und der Zeitspanne bis zur Publikation im Internet eine echte Zangengeburt gewesen zu sein – wieso auch immer.
Ja, die Gerichte sind bald eine Art Freiluftmuseum des Rechtsstaats, nur dass sie die ganze Entwicklung blockieren, weil alle anderen dieses Nadelöhr passieren müssen. Ihre organisatorische Unabhängigkeit garantiert ihnen leider die Freiheit, auch in 20 Jahren noch in den 90ern leben und arbeiten zu können – und es von anderen auch zu verlangen.
Das Problem wird hier die qualifizierte elektronische Signatur sein, welche an den Gerichten kaum existiert, dank der unsinnigen Verordnung aber für eine gültige elektronische Ausfertigung Voraussetzung wäre. Wohl um sich hier keine Blösse geben zu müssen wird kurzerhand das Recht überhaupt verneint. Problem gelöst.
Der Umgang mit elektronischen Eingaben ist wirklich unbeschreiblich. Es gibt Gerichte, die in der Kanzlei anrufen und fragen, ob wir die Eingabe nicht auch noch auf Papier schicken können. Andere weisen die Eingaben trotz Zustellungsbescheinigung glatt zurück mit der (falschen) Behauptung, sie erfülle die Richtlinien nicht. Die Frist gilt dann jeweils trotzdem als gewahrt, um der Beschwerde zu entgehen. Aber es wird unheimlich viel Energie verwendet, um elektronische Eingaben möglichst unattraktiv zu machen.