Kein Anspruch Dritter auf Zustellung von Urteilskopien

Nach einem neuen Urteil des Bundesgerichts (BGer 1C_252/2008 vom 04.09.2008) hat ein Dritter (nach wie vor) keinen Anspruch auf Zustellung einer Kopie von Urteilen (hier ging es um einen Strafbefehl).  Der Beschwerdeführer verlangte die Zustellung einer Kopie, weil er es als unverhältnismässig erachtete, 

wenn ein Interessierter und Einsichtsberechtigter eine mehrstündige Reise unternehmen müsse, um die Kopie eines Strafentscheids abzuholen, die in der Regel lediglich ein bis drei Seiten umfasse. Die Zustellung einer solchen Kopie verursache keinen erheblichen Verwaltungsaufwand (E. 2).

Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es überhaupt eintritt, ordnet aber immerhin an, dass dem Beschwerdeführer Frist von einem Monat anzusetzen sei, um den Strafbefehl auf der Kanzlei der ausstellenden Behörde einsehen zu können.

Das Bundesgericht nahm die als Beschwerde in Strafsachen eingerichte Rechtsschrift als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegen:

Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid im Sinne von Art. 86 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Art. 90 BGG über ein selbstständiges Gesuch des Beschwerdeführers um Zustellung eines Strafbefehls, der eine von ihm angezeigte Drittperson betrifft. Im entsprechenden Strafverfahren hatte der Beschwerdeführer unbestrittenermassen keine Parteistellung inne. Ebenso wenig macht er geltend, sein Gesuch erfolge zur Wahrnehmung von Parteirechten in einem noch hängigen Strafverfahren. Der angefochtene Entscheid stützt sich zudem auf öffentliches Recht ab, weshalb die Beschwerde nach der Rechtsprechung als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zu behandeln ist (vgl. zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts 1C_302/2007 vom 2. April 2008 E. 1) (E. 1).

In der Sache lautet die entscheidende Erwägung wie folgt:

Dem Anspruch auf öffentliche Urteilsverkündung, wie er in Art. 30 Abs. 3 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II verankert ist, wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts Genüge getan, wenn das Strafurteil bzw. der ausgefällte Strafbescheid öffentlich bekanntgemacht wird. Dazu genügt die Auflage des Entscheids während einiger Zeit bei einer der Öffentlichkeit zugänglichen Kanzlei, wo jedermann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen kann, den vollständigen Text des Urteils einsehen oder sich gegen eine allfällige Gebühr eine Kopie erstellen lassen kann. Weitergehende Ansprüche – insbesondere auf Zustellung einer Kopie – bestehen dagegen nicht (BGE 124 IV 234 E. 3e S. 240 mit Hinweisen) (E. 2.1). 

Der Beschwerdeführer berief sich auch auf das Prinzip der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV). Das Bundesgericht findet eine Begründung, um diese Frage in die Willkürkognition zu verweisen:

Da der Anspruch auf öffentliche Urteilsverkündung keinen Anspruch auf Zustellung des betreffenden Strafbefehls umfasst (siehe oben E. 2.1), steht im vorliegenden Fall eine Anwendung des Verhältnismässigkeitsgebots ausserhalb des Schutzbereichs spezieller Grundrechte in Frage. Demzufolge kann dieses Gebot hier nur unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots angerufen werden (E. 2.2).

Das Bundesgericht tritt mit der formalistisch anmutenden Begründung nicht ein, weil der Beschwerdeführer dem qualifizierten Rügeprinzip nicht hinreichend Rechnung getragen hatte:

Der Beschwerdeführer bringt wohl vor, dass dem Staat Willkür und Schikane auch da untersagt seien, wo ein Anliegen eines Bürgers nicht auf einem ausdrücklichen Rechtsanspruch basiere. Inwiefern im vorliegenden Fall eine Verletzung des Willkürverbots gegeben sei, führt er jedoch nicht näher aus. Der Beschwerdeführer hat seiner Begründungspflicht somit nicht Genüge getan (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 und 1.4.3 S. 254 f.; zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts 1C_380/2007 vom 19. Mai 2008 E. 2.2). Auf seine Vorbringen, der fragliche Strafbefehl sei ihm aufgrund des Verhältnismässigkeitsgebots zuzustellen bzw. Willkür und Schikane seien dem Staat untersagt, ist daher nicht einzutreten.