Kein eventualvorsätzlicher Tötungsversuch: Klinge zu kurz
Das Bundesgericht kassiert die Verurteilung eines Messerstechers wegen versuchter vorsätzlicher Tötung, der im kantonalen Verfahren zu einer Freiheitsstrafe von (lediglich) dreieinhalb Jahren verurteilt wurde (BGer 6B_775/2011 vom 04.06.2012, Fünferbesetzung). Die Klinge war zu kurz:
Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz stach der Beschwerdeführer unterhalb der Achsel in den Rumpf, d. h. in den Brustbereich, des Opfers, als es ihn mit gestrecktem linken Arm an der Schulter zurückhielt. Sie ging von einer vorsätzlich zugefügten Stichverletzung am Oberkörper des Opfers aus. Zu prüfen ist, ob der Beschwerdeführer dabei zugleich dessen Tod als mögliche Folge in Kauf nahm. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht darin, dass die Klinge des verwendeten Taschenmessers mit einer Länge von 34 mm und einer Breite von 6 mm vergleichsweise klein ist (…). Ein solches Taschenmesser gilt nicht als Waffe im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Waffen, Waffenzubehör und Munition vom 20. Juni 1997 (SR 514.54) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 lit. c der Verordnung über Waffen, Waffenzubehör und Munition vom 2. Juli 2008 (SR 514.541). Bei einer Klingenlänge von 34 mm kann sodann nicht ohne Weiteres auf die Inkaufnahme einer tödlichen Verletzung geschlossen werden. Es besteht zwar die Möglichkeit, dass ein solches Risiko eintritt, weil jede Klinge tödlich verwendet werden kann. Gleichwohl liegt bei einer solchen Klinge der Todeseintritt nicht schlechterdings auf der Hand. Überdies stach der Beschwerdeführer nicht frontal, sondern seitlich unter der Achsel in den Oberkörper des Opfers, das im Begriff war, ihn mit gestrecktem Arm an der Schulter zurückzuhalten. Das Opfer wollte die Auseinandersetzung zwischen seinem Freund und dem Beschwerdeführer beenden. Damit war der Messerstich des Beschwerdeführers eine Reaktion auf dessen Intervention. Aus den kantonalen Akten geht hervor, dass der Stichkanal (Länge ca. 2.5 cm) von hinten oben nach vorne fusswärts verlief (…). Da der Beschwerdeführer mit einer Klinge von 34 mm Länge einen Stichkanal von ca. 25 mm erzielte, kann nicht angenommen werden, er habe kraftvoll zugestochen. Aus den dargelegten Umständen lässt sich nicht folgern, der Beschwerdeführer habe eine tödliche Verletzung des Opfers in Kauf genommen. Sie sprechen vielmehr dafür, dass er es lediglich verletzen wollte.
Das Bundesgericht erwog in dem von der Vorinstanz zitierten Urteil, es verletze kein Bundesrecht, auf eventualvorsätzliches Handeln zu einem Tötungsdelikt zu schliessen, wenn der Täter mit einem Taschenmesser mit einer Klingenlänge von 41 mm in den Brustbereich seines Kontrahenten steche. Die Sorgfaltspflichtverletzung des Täters wiege nicht leicht. Bei einem Messerstich in die Brust sei das Todesrisiko, auch bei einer eher kurzen Klinge, als hoch einzustufen, weil bereits ein geringfügig grösserer Stichkanal zum Tod des Opfers hätte führen können. Der glimpfliche Ausgang sei nur einer glücklichen Fügung zuzuschreiben (Urteil 6B_239/2009 vom 13. Juli 2009 E. 1 und E. 2.4). Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass der Sachverhalt in jenem Entscheid nicht vergleichbar mit dem vorliegenden ist (…). In beiden Fällen war die Tatwaffe zwar ein kleines Taschenmesser, und der Täter stach damit in den Oberkörper des Opfers. Im Gegensatz zum vorliegenden Fall lag die Einstichstelle in jenem Entscheid aber neben dem Brustbein beim sog. Schwertfortsatz und nicht unterhalb der Achsel. Abgesehen von der unterschiedlichen Klingenlänge – 34 mm anstelle von 41 mm – unterscheidet sich die Tatausführung, frontales bzw. seitliches Zustechen in den Oberkörper, in massgebender Weise. Auch aufgrund der anders gelagerten weiteren Tatumstände in jenem Entscheid, lässt sich daraus für den vorliegenden Fall nichts weiter ableiten.
Die Vorinstanz unterstellt dem Beschwerdeführer, er habe insbesondere aufgrund seiner Praktika in einem Spital bzw. einem Altersheim wissen müssen, dass bei einem Messerstich in den Oberkörper der Eintritt des Todes wahrscheinlich sei. Mangels Feststellungen zur Art der tatsächlichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in diesen Praktika, kann der vorinstanzlichen Auffassung in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer gab zwar an, ihm sei bewusst gewesen, dass er einen Menschen auch mit einem kleinen Messer so schwer verletzen könne (…). Aus seiner Aussage kann indessen nicht ohne Weiteres geschlossen werden, er habe auch um das sehr wahrscheinliche bzw. mögliche Todesrisiko aufgrund eines Stichs mit einem solchen Taschenmesser in den Rumpf unterhalb der Achsel gewusst. Vielmehr gab er auf Nachfrage an, als er zugestochen habe, habe er total ausgeblendet, dass er das Opfer auch töten könne (…).
Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen versuchter eventualvorsätzlicher Tötung verletzt Bundesrecht (E. 2.5).
Als medizinischer Laie würde ich annehmen, dass bei jeglichem Zustechen mit Messern mit Todesfolgen gerechnet werden muss. Was da ein Unterschied von 34 zu 41mm Klingenlänge ausmachen soll ist nicht leinzusehen.
Wer im Affekt ein Messer zückt wird auch eher selten noch mit klarem Verstand überlegen, ob er am Hals oder oder an welcher Stelle des Rumpfs auch immer zusticht.
Da wundert man sich schon, mit welchen Überlegungen unser höchstes Gericht diese Verurteilung kassiert hat.
ein skandaloeses Urteil.
Wie mein Vorgaenger schon darauf hingewiesen hat:
Ein Messer mit 34 mm ist zum erwaehnten anderen Messer nur ein quantitativer Unterschied, der unwesentlich ist. Die Qualitaet des Messers als Tatwaffe bleibt erhalten.
Dass der Stich seiitlich in den Brustkorb und nicht in den Hals (Schlagadern) oder im tieferen Bereich (Milz, Leber, Niere), oder direkt Achselbereich (Lymphdruesen, Bluegefaesse, Nerven), oder gar frontal (Herz etc) ausgefuehrt wurde, ist wahrscheinlich nur dem Umstand geschuldet, dass der Abwehrende den Taeter mit seinem linken Arm den Taeter an dessen rechten Schulter gesperrt hat. Dadurch wurde seine Seite ungeschuetzt, was der Taeter sofort umsetzte, eventuell gar in heimtueckischer Weise (so ein kleines Messer ist ja nicht vornherein sichtbar).
Es ist auch nachzufragen, ob es sich wirklcih um ein Taschenmesser handelte (was nicht nur aus der Groesse sich erschliessen laesst, sondern vielmehr auch durch seine Funktionalitaet).
Dass das Messer noch 9mm Stichlaenge nicht ausgeschoepft hat, wurde faelschlicherweise interpretiert, dass nicht mit voller Kraft zugestochen wurde:
Da ist nachzufragen, ob andere Gruende dafuer verantwortlich sein koennten: Kleider, schlechter Griff (wegen der kleinen Groesse, so dass die eigene Faust in den Weg kommt, wenn nicht ganz gerade gestochen wird – was mit der Beschreibung der Stichwunde sich deckt), oder weil das Opfer den Taeter durch Zurueckweichen, Wegstosssen etc eine ganze Ausfuehrung des STiches verhindern konnte. Dies alles sind keine Gruende, den Eventualvorsatz einer Toetung abzustreiten. Allein die Moeglichkeit, dass er nicht voll zugestossen haben koennte, kann meiner Meinung nach nicht als Grund gelten, den Eventualvorsatz zu kassieren.
Die Laenge der Klinge kann nicht genuegendes Kriterium sein, es in seinem Gebrauch als eventuell toetliche Waffe auszuschliessen. Richtig eingesetzt kann es durchaus toetlich wirken. Das haengt nicht allein von der Klingenlaenge ab (die sicher ein Faktor ist), sondern auch von Form und Gebrauch. Hier ist bestimmt der Gebrauch entscheidend.