Kein Freipass für illegale Polizeimethoden?

In einem heute online gestellten Urteil (1P.51/2007 vom 24.09.2007) mahnt das Bundesgericht die Strafverfolgungsbehörden, sich inskünftig an das Gesetz zu halten:

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers führt diese Rechtsprechung keineswegs zu einem Freipass für die Polizei- oder Untersuchungsbehörden, „nach Belieben“ unzulässige Ermittlungsmethoden anzuwenden und in die Freiheitsrechte der Bürger einzugreifen. […]. Auch bei der (deutlich weniger einschneidenden) GPS-Überwachung von Fahrzeugen werden sich die kantonalen Ermittlungsbehörden hinfort an die einschlägigen prozessualen Vorschriften halten müssen: Bei systematischer Missachtung von Gesetzesbestimmungen oder auch in schwerwiegenderen Missbrauchsfällen dürfte nach der dargelegten Praxis ein Beweisverwertungsverbot unumgänglich sein.

Aus diesen Formulierungen geht bereits hervor, dass das Bundesgericht im konkreten Fall illegale Beweiserhebungsmethoden geschützt hat, mithin von den Strafverfolgungsbehörden verlangt, was es selbst nicht durchsetzt.

Der Beschwerdeführer hatte gerügt, dass er aufgrund einer illegalen GPS-Überwachung verurteilt worden sei. Unbestritten blieb, dass die Polizei unter Missachtung der gesetzlichen Vorschriften das Fahrzeug der Ehefrau des Beschwerdeführers mit einem Sender ausgestattet hatte. Dass die GPS-Daten dennoch verwertet werden durften, begründet das Bundesgericht (für das freiburgische Strafprozessrecht) wie folgt.

Zuerst differenziert das Bundesgericht zwischen zum vornherein unzulässigen Massnahmen und solchen, die bloss nicht gesetzeskonform angeordnet wurden.

Bei der Standortermittlung von Fahrzeugen per GPS-Peilsender handelt sich nicht um eine zum vornherein illegale Untersuchungsmassnahme, die auf rechtmässigem Wege gar nicht hätte angeordnet werden können (vgl. BGE 131 I 272 E. 4.1.1 S. 278). Wie dargelegt, kennt das freiburgische Strafprozessrecht ein absolutes Verwertungsverbot nur bei Beweismitteln, welche die menschliche Würde oder die Grundprinzipien des Rechts missachten oder keine hinreichende Beweiskraft haben (Art. 73 Abs. 1-2 StPO/FR). In analoger Anwendung der strafprozessualen Vorschriften für technische Überwachungen, etwa Videoüberwachungen, hätte die streitige Strafverfolgungsmassnahme grundsätzlich vom zuständigen Untersuchungsrichter verfügt und vom kantonalen Zwangsmassnahmenrichter bewilligt werden können (E. 3.5.1)

Damit öffnete das Bundesgericht den Weg zur unseligen Interessenabwägung, die bekanntlich immer zugunsten der illegalen Methoden ausfällt. Im vorliegenden Fall verfällt das Bundesgericht m.E. dann aber in einen methodischen Fehler, indem es bei der Schwere der Straftat retrospektiv vom Urteil der Vorinstanz ausgeht:

Sodann richteten sich die Ermittlungshandlungen hier gegen relativ schwerwiegende Delikte. Bei banden- und gewerbsmässigem Diebstahl handelt es sich um ein Verbrechen, das mit Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren bestraft werden kann […]. Die kantonalen Instanzen haben den Beschwerdeführer wegen Mittäterschaft an einer Serie von 38 Fahrzeugeinbrüchen zu 30 Monaten Gefängnis verurteilt (E. 3.5.2).

Dem setzte das Bundesgericht die Intensität des Eingriffs in die Grundrechte gegenüber und kam zu erstaunlichen Schlüssen:

Entscheidendes Gewicht kommt sodann dem Umstand zu, dass der hier streitige Eingriff in die Freiheitsrechte bzw. in die Intim- und Privatsphäre des Beschwerdeführers (falls überhaupt ein solcher angenommen werden kann) nur sehr minim ausfiel. Die Eingriffsintensität der fraglichen Ermittlungsmassnahme ist nicht vergleichbar mit Telefonabhörungen, E-Mail-Überwachungen, Audio- oder Videoüberwachungen in Privaträumen oder anderen die Privat- und Geheimsphäre im engeren Sinne tangierenden technischen Observationen. Hier ging es ausschliesslich um die Abklärung, an welchen Standorten im öffentlichen Raum sich das verdächtige Fahrzeug im Zeitraum von knapp zwei Monaten befand […]. Das blosse Interesse eines mutmasslichen Straftäters, dass eigene Delikte, zu denen er ein Fahrzeug verwendet, möglichst unentdeckt bleiben, ist hingegen nicht schutzwürdig (3.5.4).

Den letzten Satz muss ich nicht kommentieren. Im Ergebnis ist das Urteil entgegen den Erwägungen des Bundesgerichts eben doch ein (weiterer) Freipass für illegale Ermittlungsmethoden. Im vorliegenden Fall dienten die als illegal anerkannten GPS-Überwachungsdaten bei einzelnen Delikten sogar als einziger Sachbeweis, was vor dem EGMR kaum standhalten würde.