Kein notstandsähnliches Widerstandsrecht für Anwälte

Gegen einen Anwalt im Kanton Zürich wurde ein inzwischen eingestelltes Strafverfahren wegen Verdachts des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage, evtl. Betrugs oder Veruntreuung, sowie des Verdachts des betrügerischen Konkurses und Pfändungsbetrugs, der Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung, evtl. Bevorzugung eines Gläubigers geführt. Nach Einstellung des Verfahrens erhielt der Anwalt Akteneinsicht und stellte fest, dass eine ganze Reihe von Kontounterlagen des Anwaltsbüros ediert worden waren.. Wie aus einem heute online gestellten Urteil des Bundesgerichts (1P.375/2006 vom 24.08.2006) zu entnehmen ist, entfernte der Anwalt die Bankunterlagen kurzerhand aus den Akten und teilte der Staatsanwaltschaft mit,

dass ein Teil der Akten nichtzurückgegeben, sondern ausgesondert, in den Räumlichkeiten des Advokaturbüros “X. Rechtsanwälte”, in unveränderter Reihenfolge in einem neuen Ordner versiegelt aufbewahrt werde, und für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft I auf einer Rückgabe beharren sollte, der Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte im Kanton Zürich zur Verfügung gestellt würde.

Die Verfügung der Staatsanwaltschaft, die zurückbehaltenen Unterlagen zurückzuschicken, focht er erfolglos bis ans Bundesgericht an. Aus dem Entscheid:

Nach dem angefochtenen Rekursentscheid steht dem Beschwerdeführer kein notstandsähnliches Widerstandsrecht zu, das den Aktenrückbehalt begründen würde, da keine offensichtlich rechtswidrige Amtshandlung vorliege, durch welche bestehende Rechtsgüter unmittelbar bedroht gewesen wären. Der Beschwerdeführer widerspricht dem nicht ausdrücklich. Sein Vorbringen, die Edition der Bankunterlagen sei verfassungswidrig, betrifft ein hier nicht massgebliches Verfahren. Soweit es als Vorfrage zu berücksichtigen ist, erweist es sich in tatsächlicher Hinsicht verfehlt und begründet kein Widerstandsrecht: Die vom Beschwerdeführer zurückbehaltenen Dokumente wurden bei den beiden kontoführenden Bankinstituten erhoben und sodann zu den Akten der Strafuntersuchung gegen den Beschwerdeführer genommen. Die Banken haben sich der Edition nicht widersetzt. Beim Beschwerdeführer bzw. in seiner Anwaltskanzlei wurde weder eine Edition noch eine Beschlagnahme durchgeführt (E. 1.4).

Am Schluss des Entscheids schiesst das Bundesgericht dem Beschwerdeführer einen kräftigen Schuss vor den Bug:

Art. 5 Abs. 3 BV hält als Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns fest, dass staatliche Organe und Private nach Treu und Glauben handeln. Dieser Grundsatz lässt es nicht zu, dass ein Rechtsanwalt aus den ihm zur befristeten Einsicht überlassenen Verfahrensakten Unterlagen entfernt und zurückbehält. Wer deswegen ein Verfahren anstrengt, muss damit rechnen, dass ihm rechtsmissbräuchliche Prozessführung vorgeworfen und seine Beschwerde vor Bundesgericht gemäss Art. 36a Abs. 2 OG als unzulässig erklärt wird (E. 2).

Letzteres hat das Bundesgericht dann aber doch nicht bzw. nur indirekt getan, indem es dem Anwalt eine Gerichtsgebühr von CHF 3,000.00 auferlegte.

Interessant ist, dass das Bundesgericht dem Anwalt ein Vertoss gegen Art. 5 Abs. 3 BV vorwirft. Zum selben Ergebnis hätte man doch auch kommen können, ohne die Verfassung zu bemühen. Diese Verfassungsnorm werde ich bei Gelegenheit einmal näher anschauen müssen. Wer weiss, was sich daraus noch alles ableiten lässt …