Kein Rechtsschutz gegen Akteneinsicht durch andere Behörden
in einem Strafverfahren gegen einen Lehrer wegen Sexualdeklikten und Pornografie hat die Staatsanwaltschaft der kantonalen Erziehungsdirektion die Akteneinsicht bewilligt. Dagegen hat sich der Lehrer erfolglos gewehrt (BGer 1B_241/2016 vom 11.10.2016). Er hatte geltend gemacht, ihm drohe die Zerstörung seiner beruflichen Existenz.
Das Bundesgericht ist mangels nicht wieder gutzumachenden Nachteils (!) gar nicht erst eingetreten:
Gemäss der Rechtsprechung begründet die Durchführung eines Strafverfahrens allein keinen Nachteil rechtlicher Natur (…). Dasselbe gilt für die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens. Falls jenes Verfahren zum Entzug der Unterrichtsberechtigung führen sollte, wird der Beschwerdeführer dagegen Beschwerde ans Bundesgericht erheben können. In diesem Rahmen wird er die Möglichkeit haben vorzubringen, die Akten der Strafuntersuchung rechtfertigten den Entzug der Unterrichtsberechtigung nicht und kämen einer Verdachtskündigung gleich, wie er dies in seiner Beschwerde behauptet. Ebenso wenig führen im Allgemeinen Beweismassnahmen zu einem nicht wieder gutzumachenden Nachteil (…). Dass es vorliegend anders wäre, ist nicht ersichtlich: Zu Recht weist die Vorinstanz darauf hin, dass für die Erziehungsdirektion das Amtsgeheimnis gilt, sodass eine Weiterverbreitung der betreffenden Informationen ebenso unzulässig wäre wie im Strafverfahren selbst. Die Sachurteilsvoraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist somit nicht erfüllt (E. 1.5).
Was ein Nachteil rechtlicher Natur sein soll, verstehe ich bis heute nicht. Nicht klar ist mir zudem, wie es sîch damit verhält, wenn das Strafprozessrecht nicht rechtliche, sondern praktische Interessen gegen die Akteneinsicht nennt (Art. 101 Abs. 2 StPO). Dem betroffenen Laien muss die Begründung des Bundesgerichts aber geradezu als zynisch erscheinen.
Und wie hält man es mit dem Amtsgeheimnis? Gilt das neuerdings unter Behörden (wieder) nicht mehr?
Mein Eindruck ist, dass das nicht mehr gilt. Ich kenne sogar Gerichte, die kein Problem darin sehen, die Verwaltung informell über ein Urteil zu orientieren, bevor es die Parteien kennen.
NR: In der Sachbeurteilung der Beschwerde wäre das Gericht verpflichtet gewesen, zu prüfen, ob eine Bundesrechtsverletzung vorliegt: Gibt es keine gesetzliche Grundlage zum Datenaustausch von der Staatsanwaltschaft an die das Amtshilfegesuch stellende kantonale Erziehungsdirektion, gilt das Amtsgeheimnis, das eine Übergabe vertraulicher personenbezogener Daten über den Beschwerdeführer bricht. Dass eine geeignete Amtshilfegrundlage für laufende Strafverfahren vorliegen soll, ist nicht im Urteil dargetan und wird von den drei zur Einlassung eingeladenen Behörden auch nicht behauptet – die Beschwerde wäre, wenn das stimmt, also gutzuheissen gewesen. Damit es nicht dazu kam, trat das Gericht nicht ein, was sich m.E. aus den folgenden Überlegungen als bundesrechtswidrig erweist:
Werden vertrauliche personenbezogene Daten von einer Organisation an eine andere Organisation übergeben, liegt bereits durch die Erweiterung des Mitwisserkreises eine Berührung des Rechts auf Privatsphäre des Beschwerdeführers vor. Die Zerstörung der beruflichen Zukunftsaussichten des Lehrers durch Herumkopieren der Strafakten war deshalb für die Darlegung eines Nachteil rechtlicher Natur nicht mehr erforderlich. Daran ändert ebenfalls das Vorbringen des Gerichts nichts, die Erziehungsdirektion sei an ihr Amtsgeheimnis gebunden, oder der Beschwerdeführer werde sich nach deren Urteil mit den ihm zustehenden Rechtsmitteln wehren können, denn die Rechtsverletzung und damit der geforderte Nachteil rechtlicher Natur hat bereits stattgefunden.
Da das Gedächtnis der zusätzlichen Mitwisser erst durch Tod oder Vergessen gelöscht wird, ist dieser Nachteil auch nicht wieder gutzumachen. Dass eine sonstige Eintretensvoraussetzung fehlen würde, lese ich nirgends im Urteil. Auf die Beschwerde war einzutreten.
Die Gewährung der Akteneinsicht stützte sich gemäss E. 1.1 auf Art. 101 Abs. 2 StPO:
“Andere Behörden können die Akten einsehen, wenn sie diese für die Bearbeitung hängiger Zivil-, Straf- oder Verwaltungsverfahren benötigen und der Einsichtnahme keine überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegenstehen.”
Was sonnenklar ist muss eben auch nicht ausschweifend dargelegt werden. Die gesetzliche Grundlage ist heutzutage zwischen Behörden nie ein Problem.
Ich persönlich hätte auch lieber ein Eintreten mit Beurteilung der Güterabwägung begrüsst, auch wenn diese angesichts der Umstände wohl gar nicht anders herauskommen konnte. Es ist praktisch der Modellfall überwiegender Behördeninteressen.
Das ist ein Punkt, der mich schon lange wundert. Da wird ohne gesetzliche Grundlage wild hin und her informiert.
Noch stossender ist für mich, dass auch private Dritte (die nicht einmal theoretisch an ein Geheimnis gebunden sind) bspw. Rahmen von Editionsverfügungen über den gesamten Sachverhalt mit sämtlichen (nach wie vor unschuldigen) Beschuldigten informiert werden, ohne dass dies der Sache zuträglich oder die Information notwendig wären.
Hat sich da einmal jemand gewehrt? Das kann doch nicht sein….