Kein schöner Land
Das Bundesgericht zieht im Berufungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen die erstinstanzlich freigesprochenen Joseph Blatter und Michel Platini die Reissleine und versetzt alle ordentlichen Richter der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts in den Ausstand (BGer 7B_173/2023 vom 15.03.2024, Fünferbesetzung, Pressemitteilung). Blatter, Platini, ihre Anwälte und nun zum Glück auch das Bundesgericht halten der Bundesstrafjustiz (und im Grunde auch dem Gesetzgeber) einen Spiegel vor, in den sie aus eigenem Antrieb niemals blicken würde.
Der Grund für den Ausstand liegt im Umstand, dass der Präsident der Berufungskammer des Bundesstrafgericht, welcher im Gegensatz zu den Beschuldigten, ihren Anwälten und den übrigen betroffenen Richtern peinlicherweise anonymisiert wird, im erstinstanzlichen Verfahren als Zeuge angehört worden war. Er war es, der das Verfahren als Staatsanwalt des Bundes früher geleitet und dabei eine bis heute nicht vollumfänglich geklärte Rolle gespielt hatte, dann seine Stelle bei der BA verlor und quasi als Belohnung dafür von der Bundesversammlung als Bundesstrafrichter berufen wurde, wo er sogleich zum Präsidenten der Berufungskammer aufstieg, welche die erstinstanzlichen Urteile ihrer Kollegen von der Strafkammer überprüfen soll, an die er bisher seine Anklageschriften adressiert hatte.
Wer mir eine blamablere Geschichte aus einem Land schildern kann, das aus der Perspektive des Rechtsstaats Schweiz gemeinhin als Unrechtsstaat gilt, der spreche bitte vor! Man möge dabei aber beachten, dass sie noch nicht beendet ist. Nun geht es nämlich darum, die Berufungskammer mit ausserordentlichen Richtern zu besetzen, die man auch als Sonderrichter bezeichnen könnte, die als verfassungsmässige Richter von Vornherein ausscheiden.
Tipp an die Bundesanwaltschaft: Rückzug der Berufung, und zwar lieber heute als morgen.
Auf den Punkt gebracht, Koni.
Mir kommen nur Bananen in den Sinn.
In der tat nicht gerade eine sternstunde der schweizer justiz. Und die kolleginnen und kollegen des kammerpräsidenten sind wahrscheinlich nicht böse über den entscheid des bundesgerichts. Das mit den sonderrichtern, die nicht verfassungsmässige richter sein sollen, checke ich dann aber nicht ganz bzw. Sehe ich anders. Wenn das gericht wegen zu vielen ausständen nicht mehr in üblicher weise besetzt werden kann, soll dann die ganze veranstaltung einfach abgeblasen werden? Immerhin gibts ja noch das recht auf gerichtliche beurteilung, oder? Wer macht dann das resp. Gewährleistet diesen anspruch (mal vorausgesetzt natürlich es erfolgt kein rückzug)? Das bundesstrafgericht mit seiner berufungskammer ist ja kein sondertribunal, sondern hat, nun ja, nur, aber immerhin einen ausstandsbedingten fachkräftemangel.
Leider ist das kein Einzelfall. In kleinen Kantonen scheint es auch schlimm zu sein. Dort schreibt der zuständige Obergerichtspräsident, der ja auch seine Finger in dem Sachverhaltskomplex FIFA, Infantino & Co. drin hatte und in den Ausstand gestellt wurde, über die Obwaldner Gerichte (Seite 16 f.):
“Die Gerichtskanzleien der ersten und zweiten Gerichtsinstanz müssen zusammen genutzt werden. Es fehlt jedoch die notwendige Anzahl Arbeitsplätze, die nur unter Hinzunahme eines kleinen abgesetzten und ebenfalls gemeinsam genutzten Zweierbüros teilweise kompensiert werden kann. Die Arbeitsplätze der beiden Gerichte sind auf die beiden Stockwerke verteilt. Eine Kantonsgerichtspräsidentin ist weit entfernt von der Kanzlei im 2. Obergeschoss angesiedelt. Die Gerichtschreiberbüros sind teilweise überbelegt. […] Das Kantonsgericht belegt demgegenüber das Anwaltszimmer (Abstandszimmer), das eigentlich für Besprechungen der Anwälte mit den Parteien benutzt werden müsste. Die Durchführung eines Strafprozesses in verschiedenen Räumen ist weitgehend unmöglich geworden und verletzt die Strafprozessordnung, die in den letzten Jahren einen stetigen Ausbau der Parteirechte erlebt hat. Die beiden Praktikanten der verschiedenen Instanzen müssen sich ein kleines Büro teilen. Der Pausenraum von 9,5 m2 für die beiden Gerichtsinstanzen mit über 20 Personen ist komplett ungenügend. Der Gerichtssaal und das einzige
Sitzungszimmer müssen von allen Gerichten gemeinsam benutzt werden. Terminkonflikte sind immer häufiger und behindern einen geregelten Arbeitsablauf. […] Die Anforderungen an die Archivierung von Dokumenten werden nicht eingehalten. Neben der unbefriedigenden Raumsituation bildet auch der fehlende Anschein der Unbefangenheit ein nicht zu unterschätzender Faktor. Indem sich alle Gerichte in demselben Gebäude befinden, entsteht nach aussen der (falsche) Eindruck, dass die Gerichtsinstanzen nicht unabhängig
voneinander arbeiten.”
Vgl. den Amtsbericht über die Rechtspflege 2023, abrufbar unter Traktandum 7: https://www.ow.ch/sitzung/68572
Die gleiche Raumsituation ist ja auch bei den Bundesstrafgerichten in Bellinzona…
#Bananenrepublik
@Bananenrepublik:
Vorab: Ich habe nichts mit dem Kanton Obwalden zu tun…..
Diese Ausführungen im Geschäftsbericht sind m.E. doch viel eher positiv zu werten, werden doch Missstände aufgezeigt bzw. angeprangert. Dies sprich für mich viel eher dafür, dass eben geade nicht der Eindruck enstehen soll, es handle sich um eine “Bananenrepublik”, sondern dass Lösungen dringend angezeigt wären….
… in der gleichen Kantonsratssitzung wird in Aussicht gestellt, dass die Probleme mit der Raumsituation in Obwalden keinesfalls vor dem Jahr 2035 behoben sein werden.
Da die Obwaldner Gerichte in Selbstverwaltung geschäften, wäre es an der Selbstverwaltung (geschäftsführendes Obergerichtspräsidium), für die geeignete Struktur zu sorgen.
Das gleiche Problem besteht auch an den Bundesstrafgerichten in Bellinzona und vereinzelt in Kantonen mit Bezirksgerichten, die ihre Büros mit Staatsanwaltschaften teilen.