Kein Strafantrag, keine Vollmacht, keine Kosten

BGer 1B_299/2012 vom 19.07.2012 ist ein merkwürdiger Sachverhalt zu entnehmen, den ich wie folgt zusammenfasse:

Nach einer tätlichen Auseinandersetzung in einer Asylbewerberunterkunft haben die Beteiligten gegenüber der Polizei auf gegenseitige Strafanträge wegen einfacher Körperverletzung verzichtet (wie so oft …). Zwei Wochen später hat dann einer der Beteiligten trotzdem einen Anwalt eingeschaltet. Einen Monat danach hat die Staatsanwaltschaft die Nichtanhandnahme der beiden Strafverfahren wegen fehlender Strafanträge verfügt (obwohl es gar keine Strafanträge gab?). Der erwähnte Anwalt hat diese Verfügung dann angefochten und in der Beschwerde ausgeführt, sein Mandant sei möglicherweise nicht mehr in der Schweiz. Das Obergericht packte die Gelegenheit beim Schopf und verlangte eine aktuelle(re) Vollmacht. Es sei fraglich, ob der Anwalt nach der Zustellung der Nichtanhandnahmeverfügung das weitere Vorgehen mit seinem Mandanten besprochen habe. Der Anwalt weigerte sich, dem Obergericht eine aktuelle Vollmacht einzureichen und das Obergericht trat auf die Beschwerde nicht ein.

Auch das Bundesgericht hat kein Gehör für den Beschwerdeführer. Es tritt aber einer Begründung nicht ein, die eigentlich auch die Begründung der Vorinstanz hätte sein müssen:

Privatkläger ist die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilkläger zu beteiligen. Der Strafantrag ist dieser Erklärung gleichgestellt (Art. 118 Abs. 1 und 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat gegenüber der Polizei klar zum Ausdruck gebracht, dass er auf die Stellung eines Strafantrags verzichte und hat diesen Verzicht durch seine Unterschrift auf dem dafür vorgesehenen Formular der kantonalen Strafverfolgungsbehörden, auf welchem auch die Wirkungen des Strafantrags bzw. eines Verzichts aufgeführt sind, ausdrücklich bestätigt. Mit dieser klaren Willensäusserung hat der Beschwerdeführer endgültig (Art. 30 Abs. 5 StGB) sein Desinteresse an einer strafrechtlichen Verfolgung seines Kontrahenten erklärt und sich dementsprechend nicht als Privatkläger am Verfahren gegen diesen beteiligt. Er ist damit nicht befugt, den die Nichtanhandnahme des Strafverfahrens gegen C. im Ergebnis bestätigenden Entscheid des Obergerichts anzufechten. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten (E. 1).

Wenigstens verzichtete das Bundesgericht auf eine Kostenauflage. Weil es die unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit abweist, bleibt der Anwalt nun wohl auf den (Selbst)kosten sitzen.

Quizfragen:

  • Was genau ist hier schief gelaufen?
  • Ist ein Beschwerdeführer nicht zur Beschwerde legitimiert, wenn er die Schweiz (eventuell) verlassen hat?
  • Führt ein Anwalt eigenmächtig Beschwerden bis zum Bundesgericht?
  • Darf ein Gericht das überhaupt unterstellen, wenn eine ziemlich aktuelle Vollmacht vorliegt?