Kein unentgeltlicher Rechtsbeistand für den Zeugen
Wer in einem Strafverfahren als Zeuge vorgeladen wird, hat nach einem neuen Entscheid des Bundesgerichts in der Regel keinen Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand (BGer 1B_436/2011 vom 21.09.2011). Ausnahmsweise besteht ein Anspruch des “anderen Verfahrensbeteiligten”, wenn er – wie eine Partei – in seinen Rechten unmittelbar betroffen ist. Ob eine solche Ausnahme bei einem Zeugen überhaupt denkbar ist, muss nach diesem Entscheid des Bundesgerichts bezweifelt werden.
Die rechtlichen Grundlagen fasst das Bundesgericht wie folgt zusammen:
Art. 127 Abs. 1 StPO statuiert das Recht der beschuldigten Person, der Privatklägerschaft und der anderen Verfahrensbeteiligten auf Beizug eines Rechtsbeistands, begründet jedoch keinen Anspruch auf Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Ein solcher Anspruch besteht einzig, wenn die Voraussetzungen von Art. 132 StPO (beschuldigte Person) respektive Art. 136 StPO (Privatklägerschaft) erfüllt sind. Voraussetzung, damit allenfalls auch anderen Verfahrensbeteiligten ein Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege zustünde, ist, dass diese in ihren Rechten unmittelbar betroffen sind, denn nur diesfalls stehen ihnen die Verfahrensrechte einer Partei zu (….; E. 2.4)
Nichts ableiten konnte der Beschwerdeführer aus dem Grundsatz der Waffengleichheit:
Der Beschwerdeführer ist im hier interessierenden Verfahren nicht angeschuldigt und muss deshalb auch nicht über die gleichen “Waffen” verfügen wie die beschuldigte Person (E. 2.4).
Als Zeuge war der Beschwerdeführer in seinen Rechten nicht unmittelbar betroffen:
Im zu beurteilenden Fall ist nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer durch die grundsätzliche Pflicht, wahrheitsgemäss über die persönliche Wahrnehmung tatsächlicher Vorgänge zu berichten, unmittelbar in eigenen Rechten betroffen und insoweit auf die Bestellung eines Rechtsbeistands zur Wahrung seiner Interessen angewiesen sein könnte (E. 2.4).
Das gilt auch in Bezug auf die Gefahr, dass die Zeugenaussage zu einer Revision des rechtskräftigen Strafurteils gegen den Zeugen führen könnte:
Der Beschwerdeführer muss sich nicht selber derart belasten, dass er sich (zusätzlich) strafrechtlich verantwortlich machen würde (Art. 169 Abs.1 lit. a StPO). Sollte tatsächlich ein Revisionsverfahren eröffnet und durchgeführt werden, hätte der Beschwerdeführer als beschuldigte Person unter den Voraussetzungen von Art. 132 StPO Anspruch auf eine amtliche Verteidigung (E. 2.4).
Dieses Argument greift m.E. zu kurz. Die Frage, ob der Beschwerdeführer das Zeugnis verweigern darf, kann mitunter eine ausserordentlich schwierige Rechtsfrage darstellen, die ohne Kenntnis der zu leistenden Aussage kaum möglich ist. Die Aussicht auf einen amtlichen Verteidiger im Revisionsverfahren wird den “Schaden” kaum mehr beheben können.