Keine Berufungsverhandlung ohne Beweisverfahren
Eine Berufungsverhandlung, die sich neben der Bekanntgabe der Zusammensetzung des vorinstanzlichen Spruchkörpers und der Feststellung der Anwesenheit der vorgeladenen Parteien auf die Parteivorträge und das letzte Wort des Beschwerdeführers beschränkt, ist rechtsfehlerhaft (Art. 405 Abs. 1 StPO).
Nach einem Urteil des Bundesgerichts muss das Obergericht TG deshalb eine Berufungsverhandlung wiederholen (BGer 6B_1330/2017 vom 10.01.2019). Der Entscheid befasst sich ausführlich mit der bisherigen Rechtsprechung und bestätigt diese. Das Bundesgericht stellt insbesondere und zum wiederholten Mal klar, dass eine Berufungsverhandlung ohne Beweisverfahren ihren Zweck verfehlt:
Wird kein Beweisverfahren durchgeführt, ist das kontradiktorische, mündliche Verfahren seiner Substanz und seines Zwecks beraubt (E. 3.1).
Daran ändert nichts, dass das Rechtsmittelverfahren gemäss Art. 389 Abs. 1 StPO grundsätzlich auf den Beweisen beruhen soll, die bereits erhoben sind:
Die vorinstanzliche Begründung, mit der sie den Antrag auf Einvernahme der vier Privatklägerinnen verwirft, erweist sich als bundesrechtswidrig. Zwar beruht das Rechtsmittelverfahren gemäss Art. 389 Abs. 1 StPO grundsätzlich auf den Beweisen, die im Vorverfahren und im erstinstanzlichen Hauptverfahren erhoben worden sind, jedoch gelangt dieser Grundsatz nur zur Anwendung, soweit die Beweise, auf welche die Rechtsmittelinstanz ihren Entscheid stützen will, prozessrechtskonform erlangt worden sind. Dies war vorliegend nicht der Fall. Die Vorinstanz erwägt, dass hinsichtlich des Grossteils der dem Beschwerdeführer zum Nachteil der Privatklägerinnen vorgeworfenen Delikte eine “Aussage gegen Aussage”-Konstellation vorliegt, da ausser den sich insoweit widersprechenden Aussagen keine weiteren Beweismittel vorlägen. Den Einlassungen der Privatklägerinnen als Hauptbelastungszeuginnen kommt demnach grundlegende Bedeutung zu, weshalb deren gerichtliche Einvernahme – insbesondere auch angesichts der Schwere der Tatvorwürfe – wie üblicherweise bei typischen “Vier-Augen-Delikten” erforderlich ist (vgl. Urteile 6B_1469/2017 vom 18. Juni 2018 E. 1.3 f.; 6B_400/2017 vom 4. September 2017 E. 2.2; je mit Hinweisen). Ist die unmittelbare Kenntnis eines Beweismittels für die Urteilsfällung notwendig i.S.v. Art. 343 Abs. 3 StPO, hat das Gericht den Beweis zwingend abzunehmen. Dies gilt sowohl für das erstinstanzliche als auch für das Berufungsverfahren, denn die Beweiserhebung durch das Erstgericht kann die erforderliche unmittelbare Kenntnis des Berufungsgerichts nicht ersetzen (vgl. Art. 343 Abs. 3 i.V.m. Art. 405 Abs. 1 StPO und Art. 389 Abs. 2; vgl. BGE 143 IV 288 E. 1.4.1; 140 IV 196 E. 4.4.2; Urteil 6B_886/2017 vom 26. März 2018 E. 1.3.1; 6B_70/2015 vom 20. April 2016 E. 1.4.2; je mit Hinweisen) [E. 3.3.2].