Keine Gurtentragpflicht für Katzen
Dass Katzen ganz besondere Wesen mit Anspruch auf ein persönliches, exklusives Katzenklo sind, wissen wir seit dem Katzenklo-Entscheid des Bundesgerichts (s. meinen früheren Beitrag). Nun musste sich das Bundesgericht erneut mit Katzenfragen befassen, diesmal im Zusammenhang mit dem Strassenverkehrsrecht (BGer 6B_894/2010 vom 24.02.2011). Der Entscheid enthält zunächst eine brisante Feststellung:
Nicht anwendbar für Tiere ist die Gurtentragpflicht nach Art. 57 Abs. 5 lit. a SVG I.v.M. Art. 3a Abs. 1 VRV (E. 3.2.1).
Vorausgesetzt, dass es sich bei Katzen um Tiere handelt, kann konkludiert werden, dass Katzen in Motorfahrzeugen nicht angeschnallt werden müssen. Damit war der Beschwerdeführer, der bestraft worden war, weil er eine nicht angeschnallte Katze in seinem Auto mitführte, aber freilich nicht aus dem Schneider:
Dies bedeutet nicht, dass eine gesetzliche Regelung fehlt und eine echte Gesetzeslücke in Bezug auf die Sicherung von Tieren in Personenwagen vorliegt. Das Strassenverkehrsgesetz zieht für Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften heran. Es stellt auf den Rechtsbegriff der Sache ab, soweit das Gesetz keine speziellen Regelungen kennt (Art. 102 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 110 Abs. 3bis StGB), auch wenn Tiere keine Sachen sind (Art. 641a ZGB). Für die Frage der Sicherung von Haustieren sind die allgemeinen, für die Ladung (“Sachen”) geltenden Gesetzesvorschriften anzuwenden (E. 2.3.1).
Damit ist eine weitere Frage geklärt: Katzen, die gemäss dem Gesagten Tiere sind, sind keine Sachen, sondern gelten strassenverkehrsrechtlich bloss als solche. Und damit wird unser Beschwerdeführer zum Straftäter, denn
[N]ach Art. 93 Ziff. 2 SVG wird mit Busse bestraft, wer ein Fahrzeug führt, von dem er weiss oder bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit wissen kann, dass es den Vorschriften nicht entspricht (E. 2.3.1).
Jetzt werden Sie sich fragen, was das nun mit einer nicht angegurteten Katze zu hat. Ganz einfach:
[Art. 93 Ziff. 2 SVG] sanktioniert auch den Fahrzeuglenker, dessen Ladung sich in nicht vorschriftsgemässem Zustand befindet (Art. 57 Abs. 1 erste Hälfte VRV; vgl. Urteil 6B_1099/2009 vom 16. Februar 2010 E. 3.1 mit Hinweisen) (E. 2.3.2).
Deshalb war der Beschwerdeführer zu Recht verurteilt worden:
Die Vorinstanz durfte mangels einer speziellen Vorschrift zur Sicherung von Tieren in einem Personenwagen die für die Sicherung der “Ladung” geltenden Bestimmungen nach Art. 30 Abs. 2 Satz 2 und Art. 31. Abs. 3 Satz 1 SVG anwenden (E. 2.4).
Und welche Strafe zieht sowas nach sich? Der Beschwerdeführer meinte, der Fall sei vergleichbar mit dem Nichttragen der Sicherheitsgurte (Ordnungsbusse CHF 60.00). Damit lag er aber falsch:
Das Verschulden des Beschwerdeführers ist nicht vergleichbar mit demjenigen beim Nichttragen der Sicherheitsgurte. Sein Verhalten beschränkte sich nicht auf eine Selbstgefährdung, sondern stellte auch ein Risiko für andere Verkehrsteilnehmer dar. So wäre es denkbar gewesen, dass er eine Kollision mit anderen Fahrzeugen verursacht, während er auf seine freilaufende Katze achtet. Die von der Vorinstanz ausgesprochene Busse von Fr. 300.– ist angesichts der konkreten Tatumstände nicht zu beanstanden (E. 4.3).
Dass der Beschwerdeführer ja offensichtlich auch die “freilaufende” Katze gefährdet hatte, hat das Bundesgericht nicht erwähnt.
Ich komme nicht darum herum, einen gewissen spöttischen Unterton in diesem Post über die Ernsthaftigkeit der Justiz im Umgang mit dem Thema Katze festzustellen. Die Richterin spricht über alles, was ihr vorgelegt wird Recht, ob sie es nun als sinnvoll oder sinnlos betrachtet. Eigentlich ist es ja cool, dass das Bundesgericht in diesem Fall den eleganten Mittelweg zwischen schnöder Abweisung der Beschwerde und langem rechtstheoretischem Geplänkel gefunden hat. Die Interpretation des Beschwerdeführers (Zitat BGer: “Bei einem Tier handle es sich nicht um eine Sache. Es existierten sehr wenig Vorschriften im Strassenverkehrsgesetz über die korrekte Sicherung von Haustieren. Kleintiere seien von Nutztieren zu unterscheiden. Eine Katze falle unter den Begriff des “Mitfahrers” und unterliege der Gurtentragpflicht. Ursprünglich habe er seine Katze mit einer Leine gesichert.”) ist m.E. eher im Bereich der Humoreske anzusiedeln. Wir warten gespannt auf den ersten Schimpansenfall!
Spott war nicht beabsichtigt. Ich finde die juristische Denk- und Argumentationsweise manchmal einfach komisch und werde bisweilen den Verdacht nicht los, dass dies v.a. dann so ist, wenn das Ergebnis vor der Begründung feststeht. Im vorliegenden Fall bin ich zudem ziemlich sicher, dass ein Nichtjurist das Ergebnis nicht versteht. Was er versteht ist “nulla poena sine lege”.
Trauriger Nachtrag: Die Katze starb am 16. Februar den Strassentod und erlebte damit das Bundesgerichtsurteil nicht mehr.