Keine Kostenauferlegung nach eingestelltem Strafverfahren

Das Obergericht AG wollte einem Mann die Verfahrenskosten auferlegen, obwohl das gegen ihn eröffnete Verfahren eingestellt wurde. Der zur Tatzeit psychisch angeschlagene Beschuldigte hatte in einem Brief an das Schweizer Radio und Fernsehen mit der kaltblütigen Tötung der Familie und seiner selbst gedroht, Die Drohung stellte sich dann aber als nicht ernstlich heraus. Das Bundesgericht (BGer 6B_1473/2019 vom 13.08.2020) fasst die Voraussetzungen für die Auferlegung von Kosten wie folgt zusammen (es ging hier nicht um Kostenauferlegung als Verdachtsstrafe i.S.d. Verletzung der Unschuldsvermutung):

Dagegen ist es mit Verfassung und Konvention vereinbar, einer nicht verurteilten beschuldigten Person die Kosten zu überbinden, wenn sie in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise, d.h. im Sinne einer analogen Anwendung der sich aus Art. 41 OR ergebenden Grundsätze, eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm, die sich aus der Gesamtheit der schweizerischen Rechtsordnung ergeben kann, klar verletzt und dadurch das Strafverfahren veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat. In tatsächlicher Hinsicht darf sich die Kostenauflage nur auf unbestrittene oder bereits klar nachgewiesene Umstände stützen. Das Verhalten einer angeschuldigten Person ist widerrechtlich, wenn es klar gegen Normen der Rechtsordnung verstösst, die sie direkt oder indirekt zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichten (vgl. Art. 41 Abs. 1 OR). Vorausgesetzt sind regelmässig qualifiziert rechtswidrige, rechtsgenüglich nachgewiesene Verstösse. Die Verfahrenskosten müssen mit dem zivilrechtlich vorwerfbaren Verhalten in einem adäquat-kausalen Zusammenhang stehen (BGE 144 IV 202 E. 2.2 mit Hinweisen) [E. 1.1.1. 

Diese Voraussetzungen waren hier aber entgegen der Vorinstanz nicht erfüllt. Zwar sei die Polizei zu Recht ausgerückt und habe die Betroffenen, die sich nicht bedroht füllten, zum Drohbrief befragt. Sie erkärten, keinen Strafantrag stellen zu wollen und an der Strafverfolgung des Mannes nicht interessiert zu sein. Die Staatsanwaltschaft wollte aber nichts anbrennen lassen:

Unter den geschilderten Umständen ist unerfindlich, wie die Staatsanwaltschaft mit Blick auf die Angehörigen von einer unmittelbaren Ausführungsgefahr ausgehen konnte und, dass über den offensichtlich psychisch angeschlagenen Beschwerdeführer die Anordnung von Untersuchungshaft beantragt wurde, waren doch anlässlich der Hausdurchsuchung auch keine Waffen festgestellt worden. Viel eher wäre an eine psychiatrische Abklärung oder an einen Kontakt mit der betreuenden Ärztin zu denken gewesen, wie es der Beschwerdeführer im Übrigen selbst angeregt hatte. Das Zwangsmassnahmengericht lehnte die Anordnung von Untersuchungshaft am 7. Juni 2019 denn auch ab, wobei es – nachvollziehbar – erwog, gestützt auf die glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass er mit seiner unglücklichen Aktion nur die Aufmerksamkeit des Publikums auf sein Problem habe lenken wollen. Hingegen bestünden keine Hinweise auf die Ernsthaftigkeit der Drohung. 

Damit stand für das Bundesgericht fest, dass der Mann das Strafverfahren nicht in vorwerfbarer Weise veranlasst hat.