Keine Kostenauflage nach zurückgezogenem Strafantrag

In einem gestern online gestellten Entscheid (6B_315/2007 vom 12.11.2007) erkennt das Bundesgericht in der Kostenauflage einer Einstellungsverfügung (Rückzug des Strafantrags wegen Sachbeschädigung) eine Verletzung der Unschuldsvermutung. Der Entscheid ist aus folgenden Gründen erwähnenswert:

  1. Der Beschwerdeführer war aufgrund einer DNA-Spur praktisch überführt. Die Kostenauflage war einfach nur falsch begründet (es wäre wahrscheinlich zu einer Verurteilung gekommen).
  2. Die richtige Begründung (zivilrechtlich vorwerfbares Verhalten) hat die Staatsanwaltschaft im Kostenrekursverfahren immerhin nachgeschoben, durfte aber nicht berüchsichtigt werden (wohl weil das Replikrecht des Beschwerdeführers missachtet worden war).
  3. Der Entscheid des Bundesgerichts ist im Grunde mit keinem Wort begründet. Das kann auch als Kompliment gegenüber  dem Anwalt des Beschwerdeführers aufgefasst werden, dessen Begründung sich das Bundesgericht (stillschweigend) zu eigen macht.
  4. Das Urteil ist nur teilweise anonymisiert. Der Beschwerdeführer wird mehrfach mit Namen und Vornamen erwähnt. Ich habe die entsprechenden Stellen in meinen Zitaten anonymisiert (durch “X.” ersetzt).

Aus dem Entscheid: 

Die Staatsanwaltschaft führt in der Einstellungsverfügung zur Kostenauflage aus: “Über die Kostentragung besteht in casu keine Vereinbarung. Aufgrund der vorgefundenen DNA-Spur, welche mit dem DNA-Profil von X. übereinstimmt, wäre es nach derzeitiger Beweislage zu einer Verurteilung von X. wegen Sachbeschädigung gekommen, wenn der Strafantrag nicht zurückgezogen worden wäre. Die Prozesskosten gehen daher zulasten von X. Eine Entschädigung gemäss Art. 71 Abs. 1 StPO wird unter diesen Umständen nicht gesprochen.” (Einstellungsverfügung Ziff. 10 S. 3). Das Landgerichtspräsidium räumt ein, dass diese alleinige Begründung wahrscheinlich gegen die Unschuldsvermutung verstossen würde. Dennoch schützt es die Auferlegung der Verfahrenskosten an den Beschwerdeführer, weil die Staatsanwaltschaft zudem begründet habe, der Beschwerdeführer habe in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen eine Verhaltensnorm des schweizerischen Rechts verstossen und dadurch die Einleitung des Verfahrens verursacht (vgl. E. 4.1 hiervor). Wie der Beschwerdeführer vorbringt, hat die Staatsanwaltschaft erst in ihrer Vernehmlassung zum Rekurs auf die dem Zivilrecht angenäherte Haftung bzw. auf das prozessuale Verschulden hingewiesen (Vernehmlassung zu Ziff. 9 S. 2). Das Landgerichtspräsidium hätte jedoch lediglich die in der Einstellungsverfügung enthaltene Begründung und nicht jene der Vernehmlassung beurteilen dürfen. Durch die Abweisung des Rekurses ist die Einstellungsverfügung unverändert bestehen geblieben. Indem das Landgerichtspräsidium in seinem Entscheid die Begründung der Vernehmlassung herangezogen hat, hat es die Kostenauflage der Einstellungsverfügung willkürlich geschützt (E. 4.3, Anonymisierung durch mich).

Demzufolge hält der angefochtene Entscheid vor der grundrechtlich geschützten Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK) nicht stand. Die Rüge erweist sich somit als begründet. Nach dem Gesagten braucht nicht zusätzlich geprüft zu werden, ob der angefochtene Entscheid den Parteirechten des Beschwerdeführers, insbesondere dem Anspruch auf das rechtliche Gehör, genügend Rechnung trägt (E. 4.4).