Keine Parteientschädigung bei verpasster Frist
Das Bundesgericht hat einen neuen Grundsatzentscheid zur fristgerechten Geltendmachung von Parteientschädigungen gefällt (BGE 6B_130/2020 vom 17.09.2020, Publikation in der AS vorgesehen). Danach gilt die gesetzliche Vorschrift, wonach Entschädigungsansprüche von Amtes wegen zu prüfen sind (Art. 429 Abs. 2 StPO) nicht, wenn die Kostennote nicht innert der angesetzten Frist eingereicht wird:
Gemäss Art. 429 Abs. 2 Satz 1 StPO muss die Strafbehörde den Entschädigungsanspruch von Amtes wegen prüfen. Dies bedeutet indessen nicht, dass die Strafbehörde im Sinne des Untersuchungsgrundsatzes von Art. 6 StPO alle für die Beurteilung des Entschädigungsanspruchs bedeutsamen Tatsachen von Amtes wegen abzuklären hat. Sie hat aber die Parteien zur Frage mindestens anzuhören und gegebenenfalls gemäss Art. 429 Abs. 2 Satz 2 StPO aufzufordern, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen (BGE 144 IV 207 E. 1.3.1 S. 209; 142 IV 237 E. 1.3.1 S. 240; Urteile 6B_4/2019 vom 19. Dezember 2019 E. 5.2.5; 6B_669/2018 vom 1. April 2019 E. 2.3; 6B_552/2018 vom 27. Dezember 2018 E. 1.3; 1B_370/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.1; 6B_375/2016 vom 28. Juni 2016 E. 3.1). Die beschuldigte Person trifft insofern eine Mitwirkungspflicht (Urteile 6B_928/2018 vom 26. März 2019 E. 2.2.2; 6B_561/2014 vom 11. September 2014 E. 3.1 mit Hinweis). Fordert die Behörde die beschuldigte Person auf, ihre Ansprüche zu beziffern und reagiert diese nicht, kann gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung von einem (impliziten) Verzicht auf eine Entschädigung ausgegangen werden (Urteile 1B_370/2018 vom 10. Dezember 2018 E. 3.1; 6B_632/2017 vom 22. Februar 2018 E. 2.3; 6B_842/2014 vom 3. November 2014 E. 2.1; 6B_561/2014 vom 11. September 2014 E. 3.1; 6B_472/2012 vom 13. November 2012 E. 2.4) [E. 1.3].
Die Sache mit dem impliziten Verzicht ist insofern etwas schwierig, als der Ansprecher die Frist zur Geltendmachung hat erstrecken lassen. Das hätte er bei Verzicht eher nicht getan. Dass er dann die verlängerte Frist erst am Tag nach ihrem Ablauf (per Fax) “gewahrt” hat, ist dann schon eher problematisch. Ihm deshalb aber einen impliziten Verzicht zu unterstellen, erscheint mir trotzdem konstruiert. Die Frist war doch keine Verwirkungsfrist, die einen Anspruch gegen den Staat untergehen liess. Weniger Mühe hätte ich, wenn die Entschädigung nach Ermessen festgesetzt worden wäre. Aber Verzicht?
Strafverteidiger verdienen offensichtlich bzw. wie man hier vermuten muss genug…da kommt es auf diese Entschädigung auch nicht mehr drauf an…?
@K.O.: Die Parteientschädigung hat mit dem Einkommen des Anwalts nichts zu tun. Aber das verstehen bisweilen selbst Staatsanwälte und Richter nicht.
Link zum Urteil?
Danke für den Hinweis, ist ergänzt.
Mich deucht die verzichtsrechtsprechung auch etwas zu streng. Die behörde muss den entschädigungsanspruch immerhin von amtes wegen prüfen. Gut, es gibt eine mitwirkunspflicht bei der bezifferung, aber kommt man dieser nicht nach, wäre es wohl sachgerechter, dass das genaue beziffern und nicht der anspruch als solcher verwirkt würde. Die entschädigung würde einfach nach ermessen unter nicht berücksichtigung einer allenfalls zu spät eingereichten bezifferung festgesetzt.
Im Strafrecht bemüht man den normalen Sprachgebrauch halt nur wenns gerade passt, ansonsten ist man kreativ mit den Begrifflichkeiten, darum ist ja ein Befehl auch eine Offerte….