Keine Rechtsbeugung durch Bundesstrafrichter

Auch aus Opportunitätsgründen (Art. 8 StPO) kann davon abgesehen werden, ein Strafverfahren an die Hand zu nehmen. Dass eine so begründete Nichtanhandnahme (Art. 310 StPO) einen schalen Nachgeschmack hinterlässt, kann kaum überraschen. Wie aus einem heute im Internet publizierten Urteil des Bundesgerichts hervorgeht, führte ein solches Verfahren zu Aufsichtsanzeigen gegen drei Bundesstrafrichter (BGer 12T_4/2012 vom 27.08.2012). Es handelt sich um die drei Bundesstrafrichter, welche am Beschluss vom 11. Oktober 2011 mitgewirkt hatten (BStGer BB.2011.45 vom 11.10.2011), mit dem die Beschwerde gegen eine Nichtanhandnahmeverfügung der Bundesanwaltschaft abgewiesen worden war. Darin erkannte die Anzeigerin einen besonders schlimmen Fall von Rechtsbeugung.

Der Entscheid des Bundesgerichts wirft aus meiner Sicht ein Schlaglicht auf die ungenügende Struktur der Aufsicht über die Justizbehörden. Mit der Angelegenheit waren bereits die Vereinigte Bundesversammlung und die GPK befasst. Letztere teilte der Anzeigerin mit, dass für sie als Oberaufsichtsbehörde kein Anlass zum Tätigwerden bestehe, solange sich nicht die Aufsichtsbehörden über die betreffenden Instanzen mit der Angelegenheit befasst haben. Dies veranlasste die Einschaltung des Bundesgerichts, welches der Anzeige keine Folge gibt, aber auch betont, dass es nur über sehr beschränkte Kompetenzen verfügt:

Die Führung der Richterinnen und Richter obliegt somit – unter Vorbehalt derer fachlichen Unabhängigkeit – in erster Linie den erstinstanzlichen eidgenössischen Gerichten selbst. Das Bundesgericht hat in seiner Funktion als Aufsichtsbehörde über die erstinstanzlichen eidgenössischen Gerichte keine Disziplinargewalt über die Richterinnen und Richter der beaufsichtigten Gerichte, da hierfür die gesetzliche Grundlage fehlt (…) [E. 3].

Kompetenz hat das Bundesgericht hingegen über die der administrativen Aufsicht entzogenen Fragen der Rechtsanwendung. Hier erkennt das Bundesgericht aber keinen Grund für die Aufsichtsanzeige. Aus einem (an sich unnötigen) Satz könnte allenfalls gelesen werden, dass es mit dem Entscheid aus Bellinzona auch nicht allzu glücklich ist:

Die I. Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts hat somit die Beschwerde im Einzelnen geprüft und abgewiesen. Sie hat damit keine Rechtsverweigerung begangen, die auf organisatorische Mängel hinweist. Vielmehr hat sie u.a. geprüft, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des Opportunitätsprinzips vorliegend gegeben sind und hat dies angesichts des Gesamtkontextes bejaht. Die Abweisung der Beschwerde führt im Resultat zwar dazu, dass das von der Anzeigerin eingeleitete Strafverfahren nicht anhand genommen wird. Dies ist aber nicht darum der Fall, weil das Bundesstrafgericht untätig geblieben oder nicht im erforderlichen Mass tätig geworden wäre, sondern weil es in Anwendung der entsprechenden gesetzlichen Normen die Beschwerde abgewiesen hat. Ob dies rechtlich zu überzeugen vermag, hat das Bundesgericht als administrative Aufsichtsbehörde im vorliegenden Verfahren nicht zu beurteilen. Anhaltspunkte für irgendwelche Unregelmässigkeiten, wie sie die Anzeigerin geltend macht, bestehen im Übrigen nicht (E. 4, Hervorhebungen durch mich).