Keine Verletzung des Anspruchs auf wirksame Verteidigung?

Das Bundesgericht sieht in der Tatsache, dass eine Verteidigerin ihren Mandanten fast drei Jahre lang nicht besucht (Mord, vorzeitiger Strafvollzug), keine Verletzung des Anspruchs auf wirksame Verteidigung (BGer 6B_918/2021 vom 04.05.2022, Fünferbesetzung). Sie habe schriftlich und telefonisch kommuniziert und habe nahezu jeder Einvernahme persönlich bewigewohnt:

Die frühere Verteidigerin des Beschwerdeführers räumte mit Schreiben vom 22. Mai 2019 ein, diesen seit seinem Übertritt in die Strafvollzugsanstalt Pöschwies am 13. Juli 2016 nicht besucht zu haben. Dem Beschwerdeführer ist jedenfalls darin beizustimmen, dass das Unterlassen von Besuchen bei ihrem Mandanten während nahezu drei Jahren ungewöhnlich lange ist. Die Verteidigerin brachte diesbezüglich vor, sie habe zum Beschwerdeführer schriftlich und telefonisch Kontakt gehalten. Erst als sie ihn aufgefordert habe, sich zur Besprechung der weiteren Verteidigungsstrategie telefonisch zu melden, habe er ihr im Dezember 2018 geschrieben, sie solle ihn besuchen kommen. Ein Besuch sei jedoch nicht dringlich gewesen, da keine wichtigen Verfahrenshandlungen vorgenommen worden seien. Aus der Honorarnote der ehemaligen Verteidigerin ergibt sich, dass sie in der fraglichen Zeit mit dem Beschwerdeführer neun Telefonate führte und ihm elf Briefe schickte. Überdies nahm sie am 20. Juni 2017 an der Konfrontationseinvernahme zwischen dem Beschwerdeführer und E. teil. Wenngleich die von der Verteidigerin gewählte Form der Kommunikation mit ihrem Mandanten nicht als die optimale bezeichnet werden kann, war ihr Vorgehen nicht schlichtweg unvertretbar. Sie hielt während der gesamten Zeit Kontakt mit dem Beschwerdeführer. Es ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich, dass er in dieser Zeit in seinen Verteidigungsrechten substanziell eingeschränkt worden wäre. Die Vorinstanz erwog denn auch, dass die Verteidigerin nahezu jeder Einvernahme persönlich beigewohnt und sie – wenn ihr eine Teilnahme nicht möglich war – einen Stellvertreter geschickt habe (E. 1.2). 

Nicht zu beanstanden war gemäss Bundesgericht auch die Abweisung von Beweisanträgen des Beschuldigten in antizipierter Beweiswürdigung. Er hatte erfolglos einen ergänzenden forensischen Untersuchungsbericht oder die Befragung des Verfassers des bestehenden Berichts beantragt:

Die Vorinstanz erwog zusammengefasst, aus dem forensischen Untersuchungsbericht ergebe sich, dass sowohl an den Händen als auch an den Kleidern des Beschwerdeführers und von E. Schmauchspuren gefunden worden seien. Das sei nicht ungewöhnlich, da beide Beschuldigte nach der Tat zusammen im Auto gesessen und noch längere Zeit zusammen gewesen seien. Dass die Kleider von E. mehr Schmauchspuren aufgewiesen hätten als jene des Beschwerdeführers, schliesse den Beschwerdeführer nicht als Haupttäter aus. Schmauch könne an Kleidern sehr lange anhaften. Es könne nicht eruiert werden, wann der Schmauch auf die Kleidungsstücke gelangt sei. Die Tatsache, dass an den Händen beider Beschuldigter auch Schmauch von bleiloser Munition gefunden worden sei, die ausschliesslich Behörden verwenden würden, zeige, dass zumindest ein Teil des festgestellten Schmauchs durch die Polizei indirekt übertragen worden sei. Letztlich könne aus den Schmauchspuren nichts Endgültiges zum Schützen gesagt werden. Deshalb seien die Beweisanträge mangels Relevanz in Anwendung von Art. 379 i.V.m. Art. 139 Abs. 2 StPO abzuweisen (E. 4.2.2).

Der Beschwerdeführer hat offenbar den Untersuchungsgrundsatz falsch verstanden, den das Bundesgericht im selben Entscheid vor der eben zitierten Erwägung wie folgt umschreibt:

Im Strafverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz. Danach klären die Strafbehörden von Amtes wegen alle für die Beurteilung der Tat und der beschuldigten Person bedeutsamen Tatsachen ab (Art. 6 Abs. 1 StPO). Über Tatsachen, die unerheblich, offenkundig, der Strafbehörde bekannt oder bereits rechtsgenügend erwiesen sind, wird nicht Beweis geführt (Art. 139 Abs. 2 StPO). Beweisanträge dürfen mithin nur in den engen Grenzen von Art. 139 Abs. 2 StPO abgewiesen werden. Ungeeignet ist ein Beweismittel, wenn es offensichtlich untauglich ist und bei dem daher von vornherein feststeht, dass der angebotene Beweis die streitige Tatsache nicht zu beweisen vermag. Die Ermittlung des wahren Sachverhalts ist von zentraler Bedeutung. Insofern ist es mit Blick auf das Ziel der Erforschung der materiellen Wahrheit erforderlich, dass die Gerichte eine aktive Rolle bei der Beweisführung einnehmen (BGE 144 I 234 E. 5.6.2). Nur wenn die Gerichte ihrer Amtsermittlungspflicht genügen, dürfen sie einen Sachverhalt als erwiesen (oder nicht erwiesen) ansehen und in freier Beweiswürdigung darauf eine Rechtsentscheidung gründen. Der Grundsatz “in dubio pro reo” kann sachlogisch erst zur Anwendung kommen, wenn alle aus Sicht des urteilenden Gerichts notwendigen Beweise erhoben wurden (BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.2; Urteil 6B_789/2019 vom 12. August 2020 E. 2.3) [E. 4.1, Hervorhebungen durch mich)].

Zu viel Wahrheit will man dann aber eben doch nicht. Deshalb prüft das Bundesgericht die Rüge der antizipierten Beweiswürdigung nur unter Willkürgesichtspunkten.