Kindstötung war Mord
Das Bundesgericht kassiert die Verurteilung in einem Tötungsdelikt wegen rechtsfehlerhafter Nichtanwendung des Mordtatbestands (BGer 6B_232/2012 vom 08.03.2013, Fünferbesetzung):
1.4.1 Ob die besondere Skrupellosigkeit vorliegt, ist auf der Basis einer Gesamtwürdigung aller inneren und äusseren Faktoren des konkreten Einzelfalls zu entscheiden. Die für eine Mordqualifikation konstitutiven Elemente sind jene der Tat selber, während Vorleben und Verhalten nach der Tat nur heranzuziehen sind, soweit sie tatbezogen sind und ein Bild der Täterpersönlichkeit ergeben (Urteil 6B_429/2010 vom 24. Januar 2012 E. 4.2). Die massgeblichen Faktoren dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Besonders belastende Momente können durch entlastende ausgeglichen werden, wie umgekehrt auch erst das Zusammentreffen mehrerer belastender Umstände, die einzeln womöglich nicht ausgereicht hätten, die Tötung als ein besonders skrupelloses Verbrechen erscheinen lassen kann (GÜNTER STRATENWERTH/GUIDO JENNY/FELIX BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, Bern 2010, § 1 Rz. 22). Die Ausführungen im angefochtenen Entscheid lassen die erforderliche Gesamtwürdigung vermissen. Die Vorinstanz betrachtet die massgeblichen Gesichtspunkte (namentlich den Beweggrund, den Zweck der Tat und die Ausführung) isoliert und folgert, dass keiner der Gesichtspunkte für sich zur Annahme der Qualifikation ausreicht. Der Entscheid ist insoweit rechtsfehlerhaft.1.4.2 Die Vorinstanz verneint ein besonders verwerfliches Tatmotiv bzw. einen besonders verwerflichen Tatzweck, weil der Beschwerdegegner “bloss” eventualvorsätzlich und nicht mit dem Ziel handelte, seine Tochter zu töten. Damit vermengt sie Fragen der Absicht oder des Handlungsziels beim direkten Vorsatz und des Verwirklichungswillens beim Eventualvorsatz mit Fragen der Skrupellosigkeit. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre kann Mord auch eventualvorsätzlich begangen werden (BGE 112 IV 65 E. 3b; statt vieler Urteil 6B_215/2012 vom 24. Oktober 2012 E. 2.3.1; CHRISTIAN SCHWARZENEGGER, Basler Kommentar, Strafrecht II, Basel 2007, Rz. 23 zu Art. 112 StGB; STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, a.a.O., § 1 Rz. 18; HANS WALDER, Vorsätzliche Tötung, Mord und Totschlag, StRGB Art. 111-113, ZStR 1979, S. 117 ff., S. 158; BERNARD CORBOZ, Les infractions en droit suisse, Volume I, Berne 2010, Rz. 2 zu Art. 112 StGB; MICHEL DUPUIS ET AL, Petit Commentaire du Code pénal, 2012, Rz. 7 zu Art. 112 StGB). Mord unterscheidet sich von der vorsätzlichen Tötung durch die besondere Skrupellosigkeit (BGE 127 IV 13 E. 1a). Diese muss aus der Tat bzw. den Tatumständen hervorgehen und sie als besonders abstossend erscheinen lassen (BGE 127 IV 13 E. 1a; 118 IV 122 E. 2b). Dass der Täter den Tod des Opfers “nur” in Kauf nimmt, schliesst mithin nicht aus, dass die hinter der Tötung bzw. dem Tötungsversuch stehenden Beweggründe und der Zweck der Tat einer besonders krassen Geringschätzung menschlichen Lebens entspringen und besonders verwerflich sein können. Indem die Vorinstanz die konkreten Beweggründe, die den Beschwerdeführer zur Tat veranlassten, nicht im Rahmen der Beurteilung der Skrupellosigkeit würdigte (sondern bei der Strafzumessung), verletzt sie Bundesrecht.1.4.3 Nach den vorinstanzlichen Feststellungen reagierte der Beschwerdegegner seine frustrationsbedingte Aggression und seine Wut auf die Kindsmutter (wegen deren angeblichen Fremdbeziehung und der Zweifel, ob A.Y. sein Kind sei) hemmungslos an seiner noch nicht drei Wochen alten Tochter ab und behandelte diese wie einen Gegenstand. Es sei nicht um sie, sondern um ihn gegangen. Darin kommt eine innere Einstellung bzw. Tatmotivation zum Ausdruck, die äusserst egoistisch und bei der Beurteilung der Skrupellosigkeit als besonders verwerflich zu würdigen ist. Denn wer einen andern Menschen zum Objekt seiner Frustration und Wut macht, an deren Entstehung der andere nicht den geringsten Anteil hat, zeigt ein ausserordentliches Mass von Missachtung menschlichen Lebens, indem er dem Opfer jeglichen personalen Eigenwert und das Recht auf körperliche Unversehrtheit vollständig abspricht. Einher mit der besonders verwerflichen Tatmotivation geht weiter der Umstand, dass die versuchte Tötung von A.Y. nach den vorinstanzlichen Feststellungen als völlig sinnlos und unverständlich erscheint (siehe CORBOZ, a.a.O., Rz. 8 zu Art. 112 StGB mit Hinweis auf BGE 106 IV 347: “le mobile est aussi particulièrement odieux lorsqu’il apparaît futile; tel est le cas de celui qui tue pour se venger, mais sans motif sérieux”). Auch die Art und Weise, wie der Beschwerdegegner die Tat ausführte, weist auf eine besondere Grausamkeit und Geringschätzung menschlichen Lebens hin. Das Opfer musste erhebliche Gewalttätigkeiten und grosse Schmerzen ertragen. Der Beschwerdegegner drückte ihm den Brustkorb derart ein, dass beidseits Rippen einbrachen. Er würgte es, bis es nicht mehr atmen konnte und blau anlief, und schüttelte es wiederholt so heftig, dass es Hirnverletzungen erlitt. Dass das Kind überlebte, war Zufall. Der Beschwerdegegner zeigte keinerlei Empathie gegenüber seinem Leiden. Er brachte es nach den Übergriffen in sein Bettchen zurück und spielte am Computer, als wäre nichts geschehen. Sein Verhalten während und unmittelbar nach den Tathandlungen enthüllt ein besonderes Mass an Gefühlskälte und steht auch in einem krassen Missverhältnis zur Person des Opfers, einem Säugling, der an der Wut und Frustration bzw. Belastungssituation des Beschwerdegegners keinen Anteil hatte, nichts daran oder dagegen ausrichten konnte und diesem vollkommen schutz- und wehrlos ausgeliefert war. Die Tat erscheint insgesamt als skrupellos im Sinne von Art. 112 StGB. Indem die Vorinstanz diese nicht als Mord einstufte, verletzt sie Bundesrecht.