Kluge Haftrichter …

… äussern sich immer nur zu einem von mehreren Haftgründen. Damit ist gewährleistet, dass die Haft bleibt, selbst wenn die Rechtsmittelinstanz den geprüften Haftgrund verneint. Das Bundesgericht scheint dieser Praxis nun ganz vorsichtig entgegenzutreten (BGer 1B_130/2012 vom 23.03.2012); so vorsichtig, dass es den Beschwerdeführer nicht aus der Haft entlässt, obwohl es auch die anderen möglichen Haftgründe nicht erkennt:

Zusammenfassend ergibt sich, dass sich eine Aufrechterhaltung der Haft aus Gründen der Kollusionsgefahr nicht rechtfertigen lässt. Dennoch ist eine Haftentlassung durch das Bundesgericht nicht angezeigt, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass andere Haftgründe bestehen. In dieser Hinsicht scheinen folgende Bemerkungen angebracht:
Die Staatsanwaltschaft begründete ihren Antrag vom 6. Februar 2012 zuhanden des Zwangsmassnahmengerichts auf Abweisung des Haftentlassungsgesuchs neben Kollusionsgefahr auch mit Flucht- und Fortsetzungsgefahr. Fluchtgefahr sei gegeben, weil der Beschuldigte Brasilianer sei, Fortsetzungsgefahr, weil er erst kürzlich, am 2. November 2011, wegen Angriffs bestraft worden sei (der Beschwerdeführer habe damals dem Opfer des Angriffs mindestens einen Faustschlag versetzt). Das Zwangsmassnahmengericht liess in seinem Entscheid offen, ob neben Kollusionsgefahr auch weitere Haftgründe bestehen. Das Obergericht zog ausschliesslich Kollusionsgefahr in Betracht. Die Staatsanwaltschaft selbst kam im vorinstanzlichen wie auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mehr auf die ursprünglich geltend gemachte Flucht- und Fortsetzungsgefahr zurück, obwohl sich der Beschwerdeführer in seinen Eingaben jeweils dazu äusserte.
Erscheint ein Haftgrund diskutabel, drängt es sich mit Blick auf die Prozessökonomie und den besonderen Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen (Art. 5 Abs. 2 StPO) auf, dass sich ein Gericht zu zusätzlichen Haftgründen äussert. So kann verhindert werden, dass die Rechtsmittelinstanz, wenn diese einen Haftgrund verneint, die Sache zurückweisen muss zur Prüfung, ob ein anderer gegeben sei (vgl. Art. 397 Abs. 2 StPO, Art. 107 Abs. 2 BGG; Urteil 1B_728/2011 vom 13. Januar 2012 E. 2.7). Das Zwangsmassnahmengericht und das Obergericht haben sich indessen nicht zu anderen Haftgründen geäussert, obwohl nach dem Gesagten die Kollusionsgefahr nicht nur diskutabel erscheint, sondern zu verneinen ist.
Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an das Zwangsmassnahmengericht zurückzuweisen, damit dieses auch die ursprünglich von der Staatsanwaltschaft geltend gemachte Flucht- und Fortsetzungsgefahr beurteilt. Diesbezüglich sei angemerkt, dass die von der Staatsanwaltschaft angeführte Begründung nicht ausreicht, um diese besonderen Haftgründe zu bejahen. So begründet der blosse Umstand, dass jemand über eine ausländische Staatsangehörigkeit verfügt, keine Fluchtgefahr (vgl. Urteil 1B_201/2009 vom 26. August 2009 E. 4.2, in: EuGRZ 2010 S. 623; BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; je mit Hinweisen). Ebenso wenig vermag eine bereits ergangene Verurteilung wegen Angriffs allein die von Art. 221 Abs. 1 lit. c StPO geforderte sehr ungünstige Rückfallprognose in Bezug auf Verbrechen oder schwere Vergehen zu begründen (BGE 137 IV 84 E. 3.2 S. 85 f. mit Hinweisen) [E. 2.3, Hervorhebungen durch mich].