Kniffliges Waffenrecht
In BGE 6B_818/2014 vom 08.04.2015 (Publikation in der AS vorgesehen) beantwortet das Bundesgericht zwei offenbar umstrittene Fragen zum Waffenrecht (legaler Besitz und Tragen von Waffen in der Öffentlichkeit).
Bei der ersten Frage geht es um den Besitz, der legal bleibt, wenn der Besitzer die Waffe legal erworben hatte:
Die Verletzung der Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG wird in Art. 34 Abs. 1 lit. i WG ausdrücklich als Übertretung geahndet. Nach Art. 42 Abs. 6 WG, der eine Übergangsbestimmung zur Regelung der Besitzverhältnisse enthält (BBl 2006 2751), ist ein Gesuch um eine Ausnahmebewilligung zudem nicht erforderlich, wenn der Besitzer eine solche bereits hat. Die Botschaft hält dazu unmissverständlich fest, eine Ausnahmebewilligung zum Erwerb nach altem oder geltendem Recht berechtige zum weiteren Besitz der betreffenden Waffe (BBl 2006 2731; oben E. 2.4.3). Der Besitz erfolgt daher nicht ohne Berechtigung, wenn unter altem Recht eine gültige Ausnahmebewilligung zum Erwerb der Waffe erworben und nur die Meldepflicht von Art. 42 Abs. 5 WG missachtet wurde. Gleich verhält es sich, wenn vor Inkrafttreten des revidierten Waffengesetzes eine Ausnahmebewilligung für den Erwerb von Schalldämpfern, Laser- oder Nachtsichtzielgeräten eingeholt wurde. Die blosse Verletzung der Meldepflicht ist ausschliesslich nach Art. 34 Abs. 1 lit. i WG zu ahnden (E. 2.5.2).
Bei der zweiten Frage geht es um das Tragen von Waffen “in der Öffentlichkeit” ohne Waffentragbewilligung. Hier legt das Bundesgericht die Strafbestimmung in Anlehnung an Art. 186 StGB m.E. allzu grosszügig aus:
Ob ein Ort öffentlich zugänglich ist, beurteilt sich nicht nur nach rechtlichen (Privateigentum), sondern auch nach faktischen Gesichtspunkten. Zu einem Haus gehörende Plätze, Höfe oder Gärten sind in Anlehnung anArt. 186 StGB und die dazu ergangene Rechtsprechung nicht “öffentlich” bzw. der “Öffentlichkeit nicht zugänglich” im Sinne vonArt. 27 Abs. 1 WG, wenn sie umfriedet sind (…). Umfriedet bedeutet, dass solche Flächen umschlossen sein müssen, etwa durch Zäune, Mauern oder Hecken. Massgebend ist die Erkennbarkeit der Abgrenzung und nicht deren Lückenlosigkeit (…). Offene Plätze zählen, auch wenn sie zu einem Haus gehören, nicht zu den geschützten Objekten im Sinne von Art. 186 StGB und sind insofern öffentlich zugänglich. An ihnen kann kein Hausrecht ausgeübt werden (E. 3.2.4).
[Der Beschwerdeführer] behauptet nicht, der Vorplatz seines Stalls sei umschlossen gewesen. Nicht umfriedete Vorplätze sind wie dargelegt öffentlich zugänglich im Sinne von Art. 27 Abs. 1 WG. Das Tragen von Waffen ist am betreffenden Ort daher nur mit einer Waffentragbewilligung zulässig. Der Beschwerdeführer trug anlässlich der Hofschlachtungen demnach eine Waffe ohne die erforderliche Waffentragbewilligung (E. 3.3.2).
Die Ausführungen zur Öffentlichkeit (bzw. die verwechslung der Tatbestandsmerkmale “öffentlich zugänglich” und “umfriedet” erstaunen tatsächlich. Ob der nicht-umfriedete Hof wohl als nicht mehr öffentlich gelten würde, wenn sich darauf neben dem Waffenträger ausschliesslich seine Facebook-Freunde befunden hätten (6B_256/2014)?