Kollusionsgefahr schliesst vorzeitigen Strafvollzug nicht aus

Das Obergericht des Kantons Zürich hat einem erstinstanzlich verurteilten Menschenhändler den vorzeitigen Strafantritt bewilligt, was die Staatsanwaltschaft nicht akzeptieren wollte. Das Bundesgericht weist ihre Beschwerde ab.

Die allgemeinen Überlegungen fasst das Bundesgericht wie folgt zusammen (BGer 1B_742/2012 vom 17.01.2013).:

Für den vorzeitigen Strafvollzug ist, auch wenn er in einer Strafanstalt erfolgt, grundsätzlich das Haftregime der Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft massgebend. Die für den ordentlichen Strafvollzug geltenden Vollzugserleichterungen können nach Massgabe der Erfordernisse des Verfahrenszweckes und gemäss den Notwendigkeiten, die sich aus dem besonderen Haftgrund der Kollusionsgefahr ergeben, beschränkt werden (vgl. Art. 236 Abs. 4 StPO; BGE 133 I 270 E. 3.2.1 S. 278). Allerdings ist nicht zu verkennen, dass Kollusionshandlungen im Strafvollzug nicht gleich wirksam verhindert werden können wie in der Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Der vorzeitige Strafantritt ist deshalb zu verweigern, wenn die Kollusionsgefahr derart hoch ist, dass mit der Gewährung des vorzeitigen Strafantritts der Haftzweck und die Ziele des Strafverfahrens gefährdet würden (Urteil 1B_90/2012 vom 21. März 2012 E. 2.2 mit Hinweisen) [E. 2.2].

Konkrete Hinweise für Kollusionsgefahr fand das Bundesgericht – unter Verzicht auf den Beizug der gesamten Akten – nicht:

Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die gesamten Strafakten danach durchzusehen, ob sich darin gegebenenfalls Hinweise für Kollusionshandlungen finden lassen. Der beantragte Beizug der Strafakten ist deshalb abzulehnen (E. 2.3).

Den offenbar trotzdem verbleibenden “gewissen Bedenken”, die ja dann rein theoretischer Natur und damit unerheblich sein müssten, könne durch Ersatzmassnahmen begegnet werden (was systematisch falsch ist, denn wenn keine Kollusionsgefahr besteht, dann sind auch keine grundrechtsbeschränkenden Ersatzmassnahmen zu diskutieren):

Zwar verbleiben gewissen Bedenken, da der Beschwerdegegner weder geständig noch einsichtig ist und die Opfer teilweise geschlagen haben soll. Dem kann jedoch – was der Beschwerdegegner (…) einräumt – durch eine nach der dargelegten Rechtsprechung zulässige Einschränkung des Haftregimes im vorzeitigen Strafvollzug Rechnung getragen werden. In Betracht kommen namentlich die Überwachung von Besuchen und die Kontrolle des Briefverkehrs (E. 2.3).

Der Entscheid hinterlässt den Eindruck, dass Beschwerden von Strafverfolgern völlig anders behandelt werden als Beschwerden von persönlich Betroffenen. Obwohl das Bundesgericht keine konkreten Kollusionsindizien sieht, ja solche nicht einmal geltend gemacht wurden, setzt es sich mit den rein theoretischen Fragen auseinander und begründet damit den Eindruck, es müsse sich für die Abweisung der Beschwerde entschuldigen.