Kompetenzordnung im Strafbefehlsverfahren
Dem Bundesgericht war es ein sehr aufwändig begründeter Grundsatzentscheid wert, Fragen zur kantonalen Kompetenzordnung im Zusammenhang mit der Ausstellung von Strafbefehlen in Übertretungsstrafsachen zu diskutieren. Dabei hat es festgestellt, dass die Praxis im Kanton Basel-Landschaft nicht gesetzeskonform ist (BGE 6B_845/2015 vom 01.02.2016, Publikation in der AS vorgesehen).
Die entscheidende Feststellung des Bundesgerichts lautet wie folgt:
Eine kantonale Regelung in analoger Anwendung von Art. 17 Abs. 1 StPO, wonach bei blossen Übertretungen innerhalb der Staatsanwaltschaft nicht die Staatsanwälte, sondern andere Mitarbeiter für den Erlass von Strafbefehlen zuständig sind, verstösst daher nicht gegen übergeordnetes Recht. Inhaltlich sind entsprechende von der StPO abweichende Bestimmungen demnach denkbar. Erforderlich ist jedoch ein gültiger kantonaler Erlass, der dies explizit vorsieht (oben E. 3; …). Bezüglich des Kantons Basel-Landschaft bleibt es dabei, dass keine solche gesetzliche Grundlage besteht (E. 4.3).
Damit erweisen sich wahrscheinlich tausende von Strafbefehlen für ungültig (den Begriff der Nichtigkeit vermeidet das Bundesgericht im Gegensatz zur Vorinstanz, die – willkommen im Strafprozessrecht – blosse Anfechtbarkeit angenommen hatte). Seine Spitzen gegen die Erste Staatsanwältin müssten aber eigentlich eher auf Nichtigkeit schliessen lassen:
5.1. Zu Kritik Anlass gibt auch die Verfügung der Ersten Staatsanwältin vom 11. Februar 2015.
Das Strafbefehlsverfahren ist in der StPO abschliessend geregelt. Für abweichende oder ergänzende Verfahrensbestimmungen der Kantone in Verfahren vor den Übertretungsstrafbehörden verbleibt kein Raum (BGE 140 IV 192 E. 1.3 S. 194 f.). Ein Strafbefehl muss die Unterschrift der ausstellenden Person enthalten (Art. 353 Abs. 1 lit. k StPO). Aus dem Strafbefehl muss damit hervorgehen, wer ihn erlassen hat. Aussteller im Sinne von Art. 353 Abs. 1 lit. k StPO ist dabei, wer im konkreten Fall über Schuld und Strafe befunden hat. Aus den von der Beschwerdeführerin angerufenen Bestimmungen von Art. 80 Abs. 1 und Art. 81 StPO kann nicht geschlossen werden, im Strafbefehlsverfahren bestehe kein Anspruch auf Kenntnis der Person des Entscheidungsträgers, zumal die allgemeinen Ausstandsgründe (vgl. Art. 56 ff. StPO) auch im Strafbefehlsverfahren gelten. Eine kantonale Bestimmung im Sinne der Verfügung der Ersten Staatsanwältin vom 11. Februar 2015, wonach Übertretungsstrafbefehle vom Untersuchungsbeauftragten in Vertretung (“i.V.”) des zuständigen Staatsanwalts unterzeichnet werden (vgl. oben E. 2.1), ist nicht zulässig, da mit Art. 353 Abs. 1 lit. k StPO nicht vereinbar. Nach dem zuvor Gesagten kann zwar der Erlass von Übertretungsstrafbefehlen an Verwaltungsbeamte delegiert werden, nicht jedoch die blosse Unterschrift des Strafbefehls. Diesbezüglich gilt Art. 353 Abs. 1 lit. k StPO (vgl. Art. 17 Abs. 1 i.V.m. Art. 357 Abs. 2 StPO). Aussteller und Unterzeichner müssen demnach identisch sein. Abgesehen davon ist die ratio legis einer solchen Regelung auch nicht nachvollziehbar. Sind die Staatsanwälte aufgrund der grossen Arbeitslast nicht in der Lage, ihre Unterschrift auf den Übertretungsstrafbefehlen anzubringen, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Entscheid über Schuld und Strafe im Einzelfall von ihnen getragen wird.
5.2. Die Beschwerdeführerin argumentiert zudem widersprüchlich, wenn sie einerseits vorbringt, den drei Staatsanwälten der Hauptabteilung Strafbefehle sei es nicht möglich, die grosse Anzahl Übertretungsstrafverfahren selber zu führen und abzuschliessen, andererseits aber betont, der Strafbefehl sei unter der Verantwortung und der Kontrolle des Leitenden Staatsanwalts ergangen und demnach von diesem erlassen worden. Vorliegend hat der Untersuchungsbeauftragte B. als Aussteller des Strafbefehls vom 12. März 2013 zu gelten, da er gemäss den willkürfreien und damit verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 137 IV 1 E. 4.2.3 S. 5; 134 IV 36 E. 1.4.1; vgl. zum Begriff der Willkür bei der Beweiswürdigung: BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266; 129 I 173 E. 3.1 S. 178; je mit Hinweisen) autonom über Schuld und Strafe befand. Daran ändert nichts, dass dieser der Weisungsbefugnis des Leitenden Staatsanwalts untersteht.
R.I.P. Akkusativ (recte: …einen sehr aufwändig begründeten Grundsatzentscheid…). Die “Unterschriftenregelung” bei den Gerichten ergibt sich nach meinem Verständnis aus den Protokollierungsvorschriften: Der unterzeichnende Richter /Gerichtsschreiber bescheinigen damit, dass das ausgefertigte Urteil dem Ergebnis der Beratung entspricht. Der Staatsanwalt ist demgegenüber beim Strafbefehl per se allein auf weiter Flur. Umso richtiger erscheint mir der Entscheid des Bundesgerichts.