Kompetenzüberschreitung als Ausstandsgrund?

Die Strafprozessordnung enthält mehrere Normen, welche die personelle Trennung zwischen Ankläger und Richter verwischen. Eine davon ist Art. 333 StPO (Änderung und Erweiterung der Anklage auf Veranlassung des Richters).

Eine solche Änderung oder Erweiterung reicht nach einem neuen Bundesgerichtsurteil nicht als Ausstandsgrund aus, und zwar selbst dann nicht, wenn die Rückweisung durch die dafür sachlich nicht zuständige Verfahrensleiterin erfolgt (BGer 1B_24/2017 vom 10.05.2017).

Hier der höchstrichterlich festgestellte Sachverhalt:

Im Strafverfahren Nr. XXX stellte die Präsidentin des Strafgerichts Basel-Landschaft B.C. mit Verfügung vom 25. Juli 2016 fest, dass A.  den in der Anklageschrift vom 11. Juli 2016 nicht aufgeführten Tatbestand der Schändung oder des Versuchs dazu erfüllt haben könnte und er dazu nicht spezifisch befragt worden sei. Jacqueline Kiss wies das Verfahren unter Aufhebung der Rechtshängigkeit an die Staatsanwaltschaft zur Durchführung der notwendigen Verfahrenshandlungen und allfälliger Ergänzung der Anklageschrift zurück. Mit ergänzter Anklageschrift vom 1. September 2016 warf die Staatsanwaltschaft A. nunmehr auch Schändung mit einem Kind (Art. 191 StGB) vor.

Das Urteil des Bundesgerichts ist eher schmal begründet.

2.4. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, legt sich das Gericht mit der Rückweisung der Anklage nach Art. 333 Abs. 1 StPO nicht in einem Mass fest, dass es nicht mehr als unvoreingenommen gelten könnte und das Verfahren nicht mehr als offen erscheinen würde (…; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Urteile 1B_499/2012 vom 7. November 2012 E. 2.4 und 1B_703/2011 vom 3. Februar 2012 E. 2.6, in: Pra 2012 Nr. 36 S. 243). Hätte das zuständige Gericht das Verfahren in Anwendung von Art. 333 StPO an die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen, könnte somit keine Befangenheit der Strafgerichtspräsidentin und der mitwirkenden Richter angenommen werden. Diese Konstellation ist zwar vorliegend nicht gegeben, da Strafgerichtspräsidentin B.C. die Rückweisung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft in Überschreitung ihrer Kompetenz alleine vorgenommen hat. Diese Kompetenzüberschreitung stellt jedoch keinen besonders krassen Verfahrensfehler dar, welcher einer schweren Verletzung der Richterpflichten gleichkommt. Auch hat sich die Strafgerichtspräsidentin hierdurch nicht in einer Weise festgelegt, welche den Ausgang des Strafverfahrens Nr. XXX nicht mehr als offen erscheinen lassen würde. In der Rückweisungsverfügung vom 25. Juli 2016 hat sie einzig ausgeführt, dass sich vorliegend auch die Frage der Schändung oder des Versuchs dazu stelle, da es sich beim mutmasslichen Opfer um ein Kleinkind im Alter von 3½ Jahren handle. Ob sich der Beschwerdeführer tatsächlich wegen Schändung oder Versuchs dazu schuldig gemacht hat, hat sie offen gelassen. In der verfügten Rückweisung des Verfahrens kann deshalb keine Befangenheit der Strafgerichtspräsidentin erblickt werden (…).

2.5. Zusammenfassend vermag der Beschwerdeführer die angebliche Voreingenommenheit der Strafgerichtspräsidentin nicht zu belegen. Ihre Kompetenzüberschreitung als solche stellt jedenfalls keine derart schwere Amtspflichtverletzung dar, dass darin ein Ausstandsgrund läge. Weitere Gründe für den Anschein der Befangenheit tut der Beschwerdeführer nicht substanziiert dar und sind auch nicht ersichtlich.

Der Beschuldigte wird mit Sicherheit nicht daran glauben, die Verfahrensleiterin sei unabhängig. In diesen Fragen beweist das Bundesgericht m.E. zu wenig Fingerspitzengefühl. Das ist der Akzeptanz der Urteile nicht zuträglich (mit dem letzten Satz fällt mir auf, dass ich nach einer Rückweisung auch nicht an die Unabhängigkeit der Präsidentin glauben würde).