Konfliktverteidigung in Bülach
Die NZZ berichtet heute über einen “Eklat” am Bezirksgericht Bülach, das eine Verhandlung abbrechen musste, weil die Verteidiger den Saal verliessen. Sie fühlten sich nicht in der Lage, die Verteidigung sorgfältig zu führen, weil ihnen ein Teil der Akten erst nach der Befragung ihres Klienten zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden sollte (was ja mindestens ebenso aussergewöhnlich ist wie das Verhalten der Verteidiger).
In der Druckausgabe der NZZ wird einer der Verteidiger wie folgt zitiert:
Einen Gerichtssaal aus Protest zu verlassen und damit einen Verhandlungsabbruch zu provozieren, das war allerdings auch für ihn eine Premiere. Er habe das noch nie zuvor gemacht und ihm sei auch kein anderer, vergleichbarer Fall bekannt, so [der Verteidiger]. «Aber das Gericht hat uns keine andere Wahl für diese ausserordentliche Massnahme gelassen.»
Vergleichbare Fälle gibt es sehr wohl. Der Bekannteste ist vielleicht BGE 106 Ia 100 (Berner Prozess gegen Gabriele Kröcher und Christian Möller). Man darf gespannt sein, wie sich die Gerichte und Aufsichtsbehörden 35 Jahre nach diesem Prozess zur Konfliktverteidigung äussern werden. Ich würde wetten, dass die beiden Anwälte auch im aktuellen Fall scharf diszipliniert werden, obwohl sie letztlich ja nur auf Rechtsverletzung durch das Gericht reagiert haben. Man wird ihnen aber vorwerfen, sich nicht durch Einreichen von Rechtsmitteln (die in der Hauptverhandlung nicht oder jedenfalls nicht wirksam zur Verfügung stehen) gewehrt zu haben.
Die Meinung anderer Strafverteidiger zu erfahren, wäre in diesem Fall besonders interessant. Einer hat sich in der heutigen Druckausgabe wie folgt geäussert:
Das Bezirksgericht müsse darüber befinden, ob ein Machtmissbrauch durch die Verteidigung vorliege.
Man kann offenbar auch Macht missbrauchen, die man gar nicht hat.
Strafverteidigung – Man kann offenbar auch Macht missbrauchen, die man gar nicht hat: http://t.co/HQD5dknycl
Den Gerichtssaal zu verlassen ist m.E. unter jedem Tiel falsch. Verfahrensfehler müssen entweder diskutiert oder im Rechtsmittelverfahren gerügt werden.