Konfrontation nach unverwertbarem Belastungsbeweis

Auf belastende, aber unverwertbare Aussagen einer Auskunftsperson darf nicht zurückgegriffen werden, wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine Konfrontationseinvernahme durchgeführt wird. Zudem werden die unverwertbaren Aussagen auch nicht verwertbar, wenn der Belastete später mit der Auskunftsperson konfrontiert wird. Diese Rechtsprechung bekräftigt das Bundesgericht in einem neuen Entscheid (BGer 6B_1040/2021 vom 05.10.2022), obwohl sich die Auskunftsperson ganz offensichtlich auf die unverwertbare Einvernahme stützte und der Verteidigung sogar eine Kopie aushändigte, obwohl das Protokoll aus den Akten zu entfernen gewesen wäre.

Die Durchführung einer Einvernahme ohne Teilnahme des Beschuldigten steht einer Wiederholung der Beweiserhebung im Grundsatz zwar nicht entgegen (vgl. Art. 147 Abs. 3 StPO). Wird aber die Einvernahme wiederholt resp. zu einem späteren Zeitpunkt eine Konfrontationseinvernahme durchgeführt, darf die Strafbehörde nicht auf die Ergebnisse der vorausgegangenen Einvernahmen zurückgreifen, soweit diese einem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Aufzeichnungen über unverwertbare Beweise sind nach Art. 141 Abs. 5 StPO vielmehr aus den Strafakten zu entfernen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens unter separatem Verschluss zu halten und danach zu vernichten (BGE 143 IV 457 E. 1.6.2 f.; Urteile 6B_14/2021 vom 28. Juli 2021 E. 1.3.3; 6B_1080/2020 vom 10. Juni 2021 E. 5.5). Die in einer ersten Einvernahme in Verletzung von Art. 147 Abs. 1 StPO gemachten Aussagen nach Art. 147 Abs. 4 StPO bleiben unverwertbar, wenn sich die befragte Person im Rahmen einer späteren Konfrontation gar nicht mehr bzw. nicht frei und unbeeinflusst zur Sache äussert (Urteil 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.2) [E. 3.2].

Das half dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall aber nicht, obwohl der Konfrontationszeuge auf dessen damalige Aussagen hingewiesen wurden, allerdings nicht wortwörtlich:

Soweit der Beschwerdeführer rügt, vor den offenen Fragen habe die Polizei der Befragten “das zentrale Stichwort « (Kokain) Stein» wörtlich vorgehalten”, ergibt sich nichts zu seinen Gunsten. Dass in der Wiederholung der Einvernahme am 8. Mai 2015 u.a. nach Kokain (Stein) gefragt wurde, war nicht den Erstaussagen vom 27. Januar 2015 geschuldet, sondern den Ergebnissen der Innenraumüberwachung des Fahrzeugs Audi A6 xxx (vgl. die Ausführungen auf S. 39 des angefochtenen Urteils), deren Verwertbarkeit ausser Frage steht. Damit bleibt ohne Belang, dass die Polizei (laut Behauptung des Beschwerdeführers) anlässlich der Einvernahme vom 8. Mai 2015 über ein Protokoll der ersten Einvernahme verfügte und eine Kopie davon der Verteidigung des Beschwerdeführers aushändigte. Zwar wurde F. am 8. Mai 2015 auf ihre früheren Aussagen hingewiesen. Indessen steht fest, dass dabei kein wörtlicher Vorhalt erfolgte und dass die Befragte die offenen Fragen in freier Erzählung resp. in eigenen Worten beantwortete. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht damit ein erheblicher Unterschied zu einem weitgehend wortwörtlichen Vorhalt früherer Aussagen und deren bloss formalen Bestätigung (so beispielsweise der Sachverhalt in BGE 143 IV 457 E. 1.6.5). Angesichts der konkreten Umstände erfolgten die Äusserungen zur Sache frei und unbeeinflusst im Sinne der in vorangehender E. 3.2 wiedergegebenen Rechtsprechung (vgl. Urteile 6B_741/2021 vom 2. August 2022 E. 2.4; 6B_415/2021 vom 11. Oktober 2021 E. 2.4; 6B_1003/2020 vom 21. April 2021 E. 2.3) [E. 4.2, Hervorhebungen durch mich].

Hier übersieht das Bundesgericht den Punkt. Es kann .E. keine Rolle spielen, dass die Polizei die bei der zweiten Einvernahme vorgehaltenen Informationen aus einer legalen und verwertbaren Quelle hatte. Entscheidend ist doch, was sie der Auskunftsperson damals vorgehalten und welche Fragen sie ihr damals gestellt hatte (Wiederholung der Einvernahme gemäss Art. 147 Abs. 3 StPO). Natürlich kann man während des Verfahrens auch einfach eine weitere Einvernahme, diesmal unter Wahrung der Teilnahmerechte ansetzen und dann aktuelle, legal erhobene Erkenntnisse vorhalten. Dass das nicht gemacht wurde, hat doch allein die Staatsanwaltschaft zu vertreten.