Konfrontationsanspruch verletzt

Ein heute im Netz veröffentlichter Entscheid des Bundesgerichts rekapituliert die aktuelle Rechtsprechung zu den Teilnahmerechten und zum Konfrontationsanspruch (BGer 6B_920/2023 vom 22.08.2024). Letzteren hatte das Obergericht AI verletzt, obwohl es geltend machte, die Verurteilung stütze sich auf Aussagen des Beschuldigten selbst und auf die Akten. Das Bundesgericht lässt dies nicht gelten:

Insoweit die Vorinstanz erwägt, dass sie bei ihrer Entscheidfindung nicht auf die bisherigen Aussagen des Beschwerdegegners abstellt, sondern sich das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin “bereits aufgrund ihrer eigenen Aussagen und insbesondere aufgrund der in den Akten liegenden Chat-Verläufe” ergebe, übersieht sie, dass es der Beschwerdegegner war, der den zur Anklage erhobenen Sachverhalt zur Anzeige gebracht hat. Damit beruht der Vorwurf respektive dessen Fundament ausschliesslich auf seinen Angaben, womit er als Belastungszeuge zu gelten hat (vgl. Urteil 6B_1424/2021 vom 5. Oktober 2023 E. 2.4). Die Beschwerdeführerin hat damit das (grundsätzlich absolute) Recht, mit dem Anzeigeerstatter konfrontiert zu werden. Mit ihrem Verweis auf in den Akten vorhandene Chat-Verläufe und die Angaben der Beschwerdeführerin erklärt die Vorinstanz die Fragen an den Belastungszeugen überdies als entbehrlich, was eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung darstellt (vgl. oben E. 2.1.2 2. Absatz) [E. 2.4.2].

Der Belastungszeuge wurde übrigens im ganzen Verfahren nur gerade polizeilich befragt, nämlich bei der Einreichung der Strafanzeige, also noch vor Eröffnung der Untersuchung.

Interessant ist hier auch die nicht näher begründete Feststellung, der Verzicht auf Befragung des Belastungszeugen stellten eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung dar. In diesem Punkt ist das Bundesgericht in anderen Fällen viel zu wenig streng.