Kopiert oder kopieren lassen?

Das Bundesgericht hatte in einem neuen Urteil (6P.9/2006 vom 05.06.2006) einen Fall aus dem Urheberstrafrecht zu beurteilen. Der Beschwerdeführer war von der Vorinstanz verurteilt worden, weil er einen Software-Schulungsordner kopiert hatte (Art. 67 Abs. 1 lit. e URG, Busse CHF 500.00). Dem Beschwerdeführer wurde in der Anklageschrift vorgeworfen, er habe die Dokumentation kopiert respektive durch eine seiner Angestellten kopieren lassen. Darin sah er eine unzulässige Alternativanklage. Dazu das Bundesgericht:

Der Beschwerdeführer legt denn auch nicht dar, inwiefern seine Rechte als Beschuldigter verletzt worden seien. Er konnte der Anklageschrift entnehmen, was ihm im Anklagepunkt II/1 zur Last gelegt wird, und er konnte sich gegenden Vorwurf, er habe den Ordner kopiert respektive durch eine Angestellte kopieren lassen, verteidigen (siehe auch BGE 1P.461/2002 vom 9. Januar 2003, E. 2, in Pra 2003 Nr. 82 S. 448). Dass der Beschwerdeführer nach seiner eigenen Darstellung den Schulungsordner weder selber kopierte noch durch eine Angestellte kopieren liess, berührt nicht den Anklagegrundsatz, sondern die Beweiswürdigung. Der Beschwerdeführer behauptet im Übrigen nicht, er habe im Untersuchungsverfahren die Einvernahme von Angestellten zur Klärung der Frage beantragt, wer in wessen Auftrag den Schulungsordner kopiert hat (E. 1.2).

Zum oben zitierten Entscheid s. auch die Beiträge im Archiv strafprozess …

Materiell war u.a. zu entscheiden, ob die Dokumentation überhaupt urheberrechtlich geschützt sei, was das Bundesgericht bejahte:

Der fragliche Schulungsordner ist eine relativ umfangreiche Anwenderdokumentation, die angesichts ihres Aufbaus und ihrer Gliederung sowie der Auswahl und des Inhalts der Informationen in ihrer Gesamtheit als eine geistige Schöpfung mit individuellem Charakter im Sinne von Art. 2 Abs. 1 URG und damit als urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk gemäss Art. 2 Abs. 2 lit. a URG anzusehen ist (E. 6.3).

Weiter rügte der Beschwerdeführer das Fehlen einer strafrechtlich relevanten Tathandlung, auch dies jedoch erfolglos:

Anstiftung zu vorsätzlicher und unrechtmässiger Herstellung eines Werkexemplars ist vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil offenkundig davon auszugehen ist, dass die Angestellte, welche den fraglichen Schulungsordner auf Anweisung des Beschwerdeführers kopierte, nicht mit dem erforderlichen (Eventual-)Vorsatz der Urheberrechtsverletzung gehandelt und damit keine Straftat begangen hat. Der Beschwerdeführer ist somit nicht Anstifter, sondern mittelbarer Täter, der die Angestellte als nicht vorsätzlich handelndes Werkzeug benützte, und er ist als solcher wie der Täter strafbar.

Egal, wer was wann gemacht hat: Täter ist der Beschwerdeführer. Verloren hat er den Fall allerdings nicht vor Bundesgericht, sondern wahrscheinlich in der Untersuchung.