Kostenrisiko der Privatkläger im Rechtsmittelverfahren
In einem neuen Grundsatzentscheid (BGE 6B 582/2020 vom 17-12-2020, Publikation in der AS vorgesehen) präzisiert das Bundesgericht seine Rechtsprechung zur Entschädigung der obsiegenden beschuldigten Person im Beschwerdeverfahren gemäss BGE 141 IV 476 erneut. Neu gilt:
Sofern es sich um Antragsdelikte handelt, geht die Entschädigung der beschuldigten Person im Rechtsmittelverfahren regelmässig zulasten der (den Rechtsweg allein beschreitenden) Privatklägerschaft, dies unabhängig davon, ob das Vor- resp. Hauptverfahren vollständig durchgeführt worden ist oder nicht. Die betreffende Differenzierung kommt nur bei Offizialdelikten zum Tragen (E. 4.2.5).
Zusammengefasst gilt neu,
dass die Entschädigung der beschuldigten Person für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte bei einer Einstellung des Strafverfahrens oder bei einem Freispruch zulasten des Staats geht, wenn es sich um ein Offizialdelikt handelt (Art. 429 Abs. 1 StPO), und zulasten der Privatklägerschaft, wenn es um ein Antragsdelikt geht (Art. 432 Abs. 2 StPO). Im Berufungsverfahren betreffend Offizialdelikte wird die unterliegende Privatklägerschaft entschädigungspflichtig, im Beschwerdeverfahren hingegen der Staat. Geht es um ein Antragsdelikt, wird sowohl im Berufungs- wie im Beschwerdeverfahren die Privatklägerschaft entschädigungspflichtig (Art. 436 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 432 Abs. 2 StPO).
Muss man das verstehen oder ruft der Entscheid nach einer weiteren Präzisierung? Bis es soweit ist, muss man sich – falls der Beschuldigte obsiegt – eine Matrix vor Augen halten für Berufungs- oder Beschwerdeverfahren einerseits und Offizial- oder Antragsdelikten andererseits abbildet. Das mag sachgerecht sein, ist aber mit dem Text von Art. 432 Abs. 2 StPO m.E. so nicht zu vereinbaren.
Danke für den Hinweis, der wie immer sehr willkommen ist! Da oben nicht erwähnt: Es handelt sich um BGer 6B 582/2020 vom 17. Dezember 2020.
@Ein Praktiker: Sorry und danke für den Hinweis. Habe das Zitat ergänzt