Lebende Tiere sind keine Lebensmittel – oder doch?
Das Bundesgericht hatte sich mit dieser Frage in BGer 6B_652/2011 vom 30.01.2012 auseinanderzusetzen. Sein Ergebnis führt zu einer (zu?) weiten Auslegung des Lebensmittelstrafrechts (Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG):
Wohl sind lebende Schweine keine Lebensmittel. Ein Lebensmittel entsteht erst durch die Schlachtung. Dennoch ist der Umgang mit lebenden Tieren vom Anwendungsbereich von Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG nicht ausgenommen, nachdem die Bestimmung ausdrücklich auch die Herstellung von Lebensmitteln erfasst. Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG bezieht sich gemäss der bundesrätlichen Botschaft auf Art. 4 des Entwurfs, der Art. 6 LMG des Gesetzes entspricht (BBl 1989 960; BGE 124 IV 297 E. I.2b/cc). Gemäss Art. 6 Abs. 1 LMG dürfen Lebensmittel, Zusatzstoffe und Gebrauchsgegenstände, die den Anforderungen des LMG und seinen Ausführungsbestimmungen nicht genügen, insbesondere jene, die Grenz- oder Toleranzwerte überschreiten, nicht oder nur mit Auflagen verwendet oder an den Konsumenten abgegeben werden. Der Hinweis in der Botschaft kann nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG entgegen seinem klaren Wortlaut nur die “Abgabe” von Lebensmitteln an den Konsumenten im engeren Sinne unter Strafe stellt, unter Ausschluss von vorgelagerten Handlungen wie der Herstellung oder auch der Lagerung oder des Transports (vgl. BGE 124 IV 297 E. I.2c).
Unter “Herstellen” im Sinne des Lebensmittelgesetzes werden alle Fabrikationsprozesse, Herstellungs- und Verarbeitungsvorgänge, das Schlachten sowie die vorgelagerten Produktionsstufen in der Landwirtschaft verstanden (BBl 1989 917). Zur Lebensmittelherstellung nach Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG gehört bei Fleischerzeugnissen daher auch der Schlachtprozess. Unerheblich ist, ob daraus ein Lebensmittel resultierte, d.h. der Herstellungsprozess im Zeitpunkt der Ungeniessbarerklärung der Tiere bzw. der Aufdeckung des Mangels bereits abgeschlossen war. Indem die Vorinstanz den Beschwerdegegner mit der Begründung von der Widerhandlung gegen Art. 48 Abs. 1 lit. g LMG freispricht, das Schlachten von Tieren falle nicht unter den Tatbestand, verletzt sie Bundesrecht (E. 1.4)
Das führt mich zur Frage, ob denn lediglich die Begründung bundesrechtswidrig war. Der Sachverhalt, jedenfalls derjenige, den das Bundesgerichts darstellt, hat doch aber etwas anderes zum Gegenstand:
Y. gab für die A. AG am 25. Mai 2009 103 Schweine beim Schlachtbetrieb B. AG in X. zur Schlachtung ab. Rund ein Drittel der Schweine war zum Zeitpunkt der Ablieferung stark verschmutzt. Auf der Haut der Tiere hatten sich zum Teil Kotkrusten gebildet.
Hat Y. also durch die Abgabe von verschmutzten Tieren beim Schlachtbetrieb gegen das Lebensmittelgesetz verstossen?
Angenommen Y hätte den Schweinen etwas verfüttert, was beim Essen des Fleisches zu Todesfällen führt, so würde m.E. das Lebensmittelgesetz greifen, obschon die lebenden Schweine noch kein genussbereites Lebensmittel sondern sozusagen ein Vorprodukt sind.
Ich sehe darin keine zu weite Auslegung weil das Gesetz wie vom Bundesgericht ausgeführt auch die Vorprodukte erfasst.
Konsequenterweise halte ich auch das Vorgehen des Schlachthofs für strafbar, die müssen sich doch vorher vergewissern dass die Tiere genügend sauber sind?