Legale erkennungsdienstliche Erfassung dank “Gewährsperson” mit gutem Geruchssinn

Im Kanton Wallis hat die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl erlassen, in dem sie einem Beschuldigten vorwarf, er habe im Jahr 2019 ein Hanffeld mit illegalem THC-Wert angebaut, die Hanfpflanzen geerntet und getrocknet und Cannabis zum Verkauf vorbereitet. Eine weitere Strafuntersuchung wegen weiteren einschlägigen Delikten, darunter Verkauf von Betäubungsmitteln, ist noch offen. Anlässlich einer Einvernahme wurde der Beschuldigte erkennungsdienstlich erfasst. Dagegen wehrte er sich erfolglos bis vor Bundesgericht (BGer 1B_214/2021 vom 23.11.2021).

Das Bundesgericht fasst zuerst seine Rechtsprechung zu erkennungsdienstlichen Massnahmen ohne Zusammenhang mit der untersuchten Straftat zusammen:

3.2. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann die erkennungsdienstliche Erfassung auch zulässig sein, wenn sie nicht für die Aufklärung der Straftaten erforderlich ist, derer eine Person im hängigen Strafverfahren beschuldigt wird. Damit diesfalls die Zwangsmassnahme verhältnismässig ist, müssen erhebliche und konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beschuldigte Person in andere – auch künftige – Delikte von gewisser Schwere verwickelt sein könnte. Zu berücksichtigen ist im Rahmen einer gesamthaften Verhältnismässigkeitsprüfung auch, ob der Beschuldigte vorbestraft ist; trifft dies nicht zu, schliesst das die erkennungsdienstliche Erfassung jedoch nicht aus, sondern es fliesst als eines von vielen Kriterien in die Gesamtabwägung ein und ist entsprechend zu gewichten (zum Ganzen: BGE 145 IV 263 E. 3.4 S. 267 mit Hinweisen).   

Dann wendet es diese Rechtsprechung wie folgt auf den konkreten Fall an:

4.1. Die kantonalen Instanzen halten fest, die erkennungsdienstliche Erfassung des Beschwerdeführers sei zur Klärung der Vorwürfe im laufenden Verfahren nicht notwendig. Sie legen hingegen dar, dass der Beschwerdeführer mit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit in andere Delikte von erheblicher Schwere impliziert sein könnte, die nicht bereits Gegenstand des laufenden Verfahrens bilden. Zwar sei der 74 Jahre alte Beschuldigte nicht vorbestraft. Eine Gewährsperson habe jedoch zu Protokoll gegeben, sie habe dem Beschwerdeführer, über mehrere Jahre hinweg und mehrfach, jeweils 200-300g Cannabis gestohlen und auch schon früher einen intensiven Hanfgeruch in dessen Haus festgestellt. Aufgrund dieser Aussagen, mit denen sich die Gewährsperson selber erheblich belastet habe und welche dem Beschwerdeführer anlässlich seiner eigenen Einvernahme vorgehalten worden seien, bestünden erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass dieser schon zu früheren Zeiten grössere Mengen Cannabis angebaut, weiterverarbeitet und verkauft habe. Eine von der Verteidigung ins Recht gelegte E-Mail der Gewährsperson vom 4. März 2021 vermöge diesen Verdacht nicht vollständig zu zerstreuen. Es bestehe gegen den Beschuldigten der Verdacht auf Anbau, Lagerung und Verkauf von Betäubungsmitteln, was gemäss Art. 19 Abs. 1 BetmG (als einfacher Tatbestand) mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werde. Dies stelle über mehrere Jahre hinweg eine Straftat von einer gewissen Schwere dar, die noch untersucht werden müsse und zu deren Verfolgung eine erkennungsdienstliche Erfassung des Beschuldigten sachdienlich sei. Ob er, wie er behauptet, bloss als Opfer falscher Anschuldigungen anzusehen sei, werde im weiteren Verlauf des Verfahrens zu klären sein.   

4.2. Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, lässt die gesetzlichen Voraussetzungen der angefochtenen Zwangsmassnahme nicht dahinfallen. Die kantonalen Instanzen legen – im Sinne der oben (E. 3.2) erörterten Praxis – ausreichend konkrete Anhaltspunkte dafür dar, dass der Beschwerdeführer schon vor 2019 in frühere einschlägige Delikte bzw. (auch ab 2019) in andere Straftaten verwickelt gewesen sein könnte als jene, die ihm im Strafbefehl vom 26. Oktober 2020 vorgeworfen werden. Auch die Verhältnismässigkeit der streitigen erkennungsdienstlichen Erfassung, im Lichte der Schwere der untersuchten Delikte und des Subsidiaritätsgrundsatzes, hat die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht bejaht. Dies gilt umso mehr, als hier keine Drittpersonen davon betroffen sind, sondern allein der Beschuldigte tangiert wird (vgl. Art. 197 Abs. 2 StPO).  Der Beschwerdeführer bestreitet im Übrigen nicht, dass er die beschlagnahmten Cannabisprodukte jedenfalls besessen und gelagert hat. Zwar beruft er sich diesbezüglich auf den Rechtfertigungsgrund von Art. 17 StGB, da er sich in einem Notstand befunden und zudem habe erfahren wollen, “wer der Übeltäter” gewesen sei. Er legt jedoch nicht nachvollziehbar dar, inwiefern er mit seinem Verhalten ein eigenes höherwertiges Rechtsgut (oder dasjenige einer anderen Person) aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Gefahr hätte retten wollen und können. Insbesondere erklärt er nicht plausibel, weshalb er sich nicht an die Polizei gewendet hat, wenn es ihm angeblich bloss darum ging, die Drogen sicherstellen zu lassen und herauszufinden, wer die Verantwortlichen waren. 

Was bitte qualifiziert eine Person als “Gewährsperson” und was ist ihre prozessuale Stellung? Und wieso soll die erkennungsdienstliche Erfassung zur Aufklärung der hier befürchteten weiteren Straftaten eines 72-Jährigen notwendig sein? Seit wann genügt es, dass die Massnahme geeignet sein könnte?