Legalisierter Diebstahl von Bargeld

Das Bundesgericht bestätigt ein weiteres Mal die Einziehung von angeblichem Drogengeld. Das Verfahren gegen den Inhaber wurde zwar eingestellt, es reicht aber entgegen der Kritik in der Lehre, wenn Indizien dafür sprechen, es handle sich um Erlös aus Drogendelikten (BGer 6B_1390/2020 vom 08.06.2020).

Der eigentliche Aufhänger für die Einziehung und zu den angeblichen Drogendelikten ist immer derselbe: der Nachweis der Kontamination des Bargelds mit Drogenrückständen. Dieser Nachweis wird meistens und wurde auch im vorliegenden Fall von Spezialisten des Grenzwachtkorps in ITMS-Untersuchungen erbracht. Selbst unter der Annahme, der Nachweis sei rechtlich und tatsächlich völlig korrekt erbracht worden, verstehe ich nicht, wieso das auf Drogengeschäfte hindeuten soll. Banknoten sind praktisch ausnahmslos kontaminiert und Drogenhändler waschen sich vermutlich die Hände auch nicht weniger als Bankangestellte oder Anwälte.

Wer in die Schweiz einreist, sollte also besser kein Bargeld auf sich tragen, dies schon gar nicht in verschiedenen Währungen und in kleiner Stückelung. Und wenn er es trotzdem tut, ist er gut beraten, die Herkunft des Geldes schlüssig beweisen zu können. Anders kommt man um die folgende Feststellung im Einziehungsentscheid nicht herum:

Vorliegend sprechen verschiedene Indizien (hohe Kontamination des Bargeldes mit Kokain, Stückelung des grossen Bargeldbetrags in kleinen Einheiten verschiedener Währungen, Art des [Bargeld-]Transportes und Fehlen einer plausiblen Erklärung für den Bargeldtransport) dafür, dass es sich beim transportierten Bargeld um den Erlös aus Betäubungsmitteldelikten handelt (E. 2.4.1). 

Möglich ist diese Rechtsprechung, weil die Beweislast letztlich beim Einziehungsbetroffenen liegen soll:

Auch wenn sich der Dritte im Einziehungsverfahren nicht auf die Unschuldsvermutung berufen kann, so hat der Staat dennoch sämtliche Voraussetzungen für eine Einziehung beim Dritten zu beweisen. Dritte, die behaupten, eine gleichwertige Gegenleistung im Sinne von Art. 70 Abs. 2 StGB erbracht zu haben, müssen bei der Beweiserhebung jedoch in zumutbarer Weise mitwirken (Urteile 6B_1322/2020 vom 16. Dezember 2021 E. 5.3; 6B_502/2020 vom 6. Mai 2021 E. 1.2.1; 6B_1042/2019 vom 2. April 2020 E. 2.2.2; je mit Hinweisen). Ob ein Einziehungsentscheid gegen die bundesrechtlichen Beweislastregeln verstösst, prüft das Bundesgericht als Rechtsfrage mit voller Kognition (Urteil 6B_1042/2019 vom 2. April 2020 E. 2.2.2).  

Volle Kognition ist aber nicht damit zu verwechseln, dass der Sachverhalt nur auf Willkür geprüft wird. Die Erklärungen der Betroffenen gehören zum Sachverhalt. Wieso man überhaupt erklären muss, dass man kontaminiertes Bargeld in kleiner Stückelung auf sich trägt, ist mir ein rechtliches Rätsel.