Legalitätsprinzip als Ausfluss des Willkürverbots?
Im Rahmen einer Strafrechtsbeschwerde musste sich das Bundesgericht mit folgendem Sachverhalt auseinander setzen (BGer 6B_385/2008 vom 21.07.2008):
X. schoss am 7. Oktober 2006 in der Gemeinde Eggiwil im Wildraum 5 ein Reh. Bevor er das erlegte Tier in Besitz nahm, trug er den Abschuss in das Kontrollheft ein. Dabei unterlief ihm ein Fehler. Unter der Rubrik “Wildraum Nr.” gab er fälschlicherweise den Wildraum 27 an, nachdem er zunächst eine andere, heute nicht mehr erkennbare Zahl eingetragen hatte.
X. wurde für diesen Fehler strafrechtlich verfolgt und über drei Instanzen zu einer Busse von CHF 40.00 verurteilt wegen “Unkorrekten Eintragens eines erlegten Wildtieres in die Abschusskontrolle” (Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes über Jagd und Wildtierschutz des Kantons Bern). Auch vor Bundesgericht blieb X. erfolglos. Er rügte eine Verletzung des strafrechtlichen Legalitätsprinzips, das auch auf kantonalen Strafnormen anzuwenden sei. Letzteres wird vom Bundesgericht zwar bestätigt. Wie es aber seine eigene Kognition beschränkt, erscheint als fragwürdiger Kunstgriff, der vielleicht die Gutheissung der Beschwerde gerade noch ermöglichte:
Auch unter der Geltung der neuen Bundesverfassung ist davon auszugehen, dass sich das Legalitätsprinzip im Bereich der Anwendung von kantonalem Strafrecht unmittelbar aus dem Verfassungsrecht ergibt. Angesichts seines selbständigen Gehaltes im Strafrecht bleibt die konkrete verfassungsrechtliche Grundlage ohne weitere Bedeutung. Zumindest als Ausfluss des Willkürverbotes (Art. 9 BV) gehört der Grundsatz “nulla poena sine lege” zum Bundes(verfassungs)recht im Sinne von Art. 95 Abs. 1 BGG, das nunmehr mit Beschwerde in Strafsachen als verletzt gerügt werden kann. In seiner allgemeinen Bedeutung wird das Legalitätsprinzip von Art. 5 Abs. 1 BV mitumfasst. Es besagt, dass ein staatlicher Akt sich auf eine materiellrechtliche Grundlage stützen muss, die hinreichend bestimmt und vom staatsrechtlich hierfür zuständigen Organ erlassen worden ist (BGE 130 I 1 E. 3.1 S. 5; Urteil des Bundesgerichts 2C_212/2007 vom 11.12.2007, E. 3.1). Allein daraus kann jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass das Bundesgericht das kantonale Übertretungsstrafrecht mit freier Kognition überprüfen müsste. Denn die Verletzung des einfachen kantonalen Gesetzesrechts stellt, von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, kein zulässiger Beschwerdegrund dar (vgl. Art. 95 BGG; Urteil 2C_212/ 2007, a.a.O.) (E. 3.1, Hervorhebungen durch mich).
In der Sache begründet das Bundesgericht die Abweisung der Beschwerde wie folgt:
3.3.2 Art. 31 Abs. 1 lit. a JWG ist eine Blankettstrafnorm. Aus ihr allein geht noch nicht hervor, welches Verhalten strafbar ist. Die Strafbestimmung verweist jedoch klar auf die verwaltungsrechtliche Ausführungsvorschrift der Volkswirtschaftsdirektion über die Pflichten des Jägers betreffend die Abschusskontrolle (Art. 17 JaDV). Dabei handelt es sich um eine sogenannt blankettausfüllende Norm, die mit der Strafnorm zusammen zu lesen und auszulegen ist. Die Strafbestimmung ist so zu lesen, als stünde in ihr der Text der Ausfüllungsnorm. Durch eine solche Gesetzestechnik werden die Straftatbestände nicht unbestimmt (Urteil des Bundesgerichts 6S.135/2007 vom 27. Oktober 2007, E. 3.5 und 4).3.3.3 Art. 17 JaDV bestimmt, dass alle erlegten Wildtiere vor Besitzergreifung unter Angabe aller verlangten Informationen mit Kugelschreiber in das Abschusskontrollheft einzutragen und die Richtigkeit der Eintragung mit Unterschrift zu bestätigen sind. Das Obergericht erachtet die Bestimmung ausgehend vom Wortlaut (“alle verlangten Informationen sind in das Abschusskontrollheft einzutragen”) als genügend präzis. Weiter gehe daraus klar hervor, dass jede Falscheintragung objektiv einen Verstoss gegen die Selbstdeklarationspflicht des Jägers (Art. 19 Abs. 1 JWG) darstelle. Dass sich die verlangten Angaben im Einzelnen direkt aus dem Abschusskontrollheft ergäben, schade nichts, sondern trage im Gegenteil zur Klarheit des korrekten Vorgehens der Selbstdeklaration bei. Bezeichnenderweise habe der Beschwerdeführer im gesamten Gerichtsverfahren denn auch nie geltend gemacht, er habe nicht gewusst, welche Angaben er in das Kontrollheft habe eintragen müssen.3.3.4 Die Auffassung des Obergerichts, wonach die Pflicht des Jägers zur Selbstdeklaration (Art. 19 Abs. 1 JWG) in Art. 17 JaDV dahingehend konkretisiert wird, dass er sein Abschusskontrollheft vollständig und richtig auszufüllen hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die kantonalrechtlichen Vorschriften bieten dafür eine hinreichend klare und präzise Grundlage, womit sie den Anforderungen des rechtsstaatlich begründeten Bestimmtheitsgebots genügen. Inwiefern für die Rechtssicherheit oder die rechtsgleiche Anwendung erforderlich wäre, dass die im Abschusskontrollheft verlangten Angaben in der Gesetzesvorschrift selbst enthalten sein müssten, wird vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich. Dies umso weniger, als es sich um ein persönliches Abschusskontrollheft handelt (Art. 17 Abs. 3 JaDV), dass jedem Jäger ausgehändigt wird und damit im Zusammenhang mit der Jagdbewilligung zu sehen ist. Die Rüge der Verletzung des strafrechtlichen Legalitätsprinzips (Bestimmtheitsgebot) geht fehl.