Legalprognose

Dass ein Gutachter für die Legalprognose auch Straftaten heranzieht, welche aus dem Strafregister entfernt wurden, heisst noch nicht, dass das Gutachten nicht schlüssig wäre (BGer 6B_1294/2021 vom 10.01.2022, Fünferbesetzung). Dies entscheidet das Bundesgericht auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin, die es nun endlich schafft, einen Straftäter zu verwahren.

Was ich am Ende nicht verstehe ist, wie der Richter aus dem Gutachten schliessen soll, die Legalprognose sei schlüssig begründet, wenn diese sich auch auf Straftaten stützt, die nicht berücksichtigt werden dürfen. Und was mich stört ist, dass mehrfach genau auf diese entfernten Straftaten Bezug genommen wird.

Letztlich entscheidend ist aber, dass das Gericht eine Gesamtwürdigung vornehmen (und den Gutachter notfalls auch übersteuern?) muss:

Ob die zur Gefährlichkeit gutachterlich erarbeiteten Befundtatsachen oder Risiken als gefährlich im Sinne von Art. 64 Abs. 1 StGB zu werten sind, ist normativer Natur und damit in die Beurteilungskompetenz des Gerichts gestellt, das die Risikoanalyse in einer Gesamtwürdigung zu beurteilen hat (…). Das bedeutet in der Praxis, dass das Gericht das Gutachten selbständig beurteilen muss und die Prognoseentscheidung nicht dem Sachverständigen überlassen darf. Das Gericht muss im Ergebnis eine eigenständige Beurteilung des Sachverständigenbeweises vornehmen, damit es gestützt darauf einen eigenverantwortlichen Entscheid zur Gefährlichkeit treffen kann (…) [E. 1.4.2, Hervorhebungen durch mich].

Daraus könnte man auch schliessen, dass man für Risikoanalysen gar keine Gutachten mehr braucht oder dass es keine Rolle mehr spielt, wenn ein Gutachten auf falschen Grundlagen beruht.