Leibesvisitationen im Thorberg
In einem ausführlich begründeten Urteil bestätigt das Bundesgericht die Praxis in der JVA Thorberg, auch bei verwahrten Personen nach jedem Besuch eine Leibesvisitation mit vollständiger Entkleidung durchzuführen (BGer 7B_459/2024 vom 05.09.2024, a.o. Besetzung). Bei offenen Besuchsräumen mit direktem Kontakt zu den Besuchern könne die Sicherheit nicht anders garantiert werden. Die Vorinstanz habe daher die Beschwerde und die unentgeltliche Rechtspflege zu Recht abgewiesen:
In diesem Einigungsverfahren hätten die Justizvollzugsanstalt Thorberg und das Amt für Justizvollzug dem Beschwerdeführer einlässlich, nachvollziehbar und unter Heranziehung der einschlägigen Unterlagen begründet aufgezeigt, weshalb die Leibesvisitationen dem Prüfungskatalog standhielten. Er sei mit den fundierten und ausführlichen Einschätzungen hinreichend auf die Aussichtslosigkeit seines Begehrens hingewiesen worden. Bei vernünftigen Überlegungen hätte sich vor diesem Hintergrund auch eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, nicht dazu entschieden, an der Beschwerde festzuhalten. Das Verfahren sei spätestens ab diesem Moment aussichtslos gewesen (E. 5.2, Hervorhebungen durch mich).
Auch das Bundesgericht erkennt trotz der ausführlichen Begründung auf Aussichtslosigkeit.
Ich nehme mal ganz spekulativ an, sowas wäre in Deutschland angesichts des Abstandgebots nicht zulässig.
Die Bundesrichter Abrecht, Rüedi und Hofmann verweigern die unentgeltliche Rechtspflege, weil Rechtsanwalt Julian Burkhalter die Verweigerung nicht rechtsgenügend gerügt habe (E.5.2-6; und damit quasi die Aussichtslosigkeit der Beschwerde nicht widerlegt habe).
Trifft dies zu, beschert ein fachlicher Fehler des Anwalts dem mittellosen Beschwerdeführer 1’200 Franken Gerichtskosten (plus die vorinstanzlichen Gerichts-/Verfahrenskosten plus vermutlich die Anwaltskosten).
Fragwürdig scheint jedoch: Die Vorinstanz (Berner Obergericht) stützt die Aussichtslosigkeit auf ein Einigungsverfahren der Justizvollzugsanstalt Thorberg und des Amtes für Justizvollzug mit dem Beschwerdeführer (E.5.2) bzw. auf einen Entscheid der Berner Sicherheitsdirektion (Sachverhalt B.a). Letztere drei sind Verwaltungsbehörden und keine Gerichte.
Art. 29a BV (Rechtsweggarantie) gewährt Zugang zu einem unabhängigen Gericht. Der Anwalt legt das Verwaltungs(rechtsmittel)verfahren erstmals beim Berner Obergericht einem GERICHT zur rechtlichen Prüfung der geltend gemachten Grundrechtsverletzungen (E.3-3.1) vor. Er rügt ja, die Verwaltungsinstanzen seien nicht unabhängig (E.5.3).
Darf das Gericht die Beschwerde überhaupt (von vornherein) als aussichtslos bezeichnen?
Die Rechtsweggarantie verlangt ja den «Zugang zu einem Richter statt an eine Verwaltungsbehörde».
Und verstösst folglich das Obergericht gegen die Rechtsweggarantie bzw. höhlt dessen Kerngehalt aus, weil es die Aussichtslosigkeit nicht selber eingehend prüft, sondern lediglich auf die Begründung der Verwaltungsinstanzen stützt (und so materiell das Recht verweigert)?
(Einigungsverfahren der Verwaltungsinstanzen: „Er sei mit den fundierten und ausführlichen Einschätzungen hinreichend auf die Aussichtslosigkeit seines Begehrens hingewiesen worden. […] Das Verfahren sei spätestens ab diesem Moment aussichtslos gewesen.“ E.5.2).
Oder übersehe ich etwas?
@Henry: Gute Überlegungen. Die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege ist nicht nachvollziehbar. Ich bin der Meinung, dass es eigentlich gar keine aussichtslosen Beschwerden geben kann, zumal das Bundesgericht ja auch nicht unfehlbar ist und bisweilen auch unbegründete Beschwerden gutheisst. Selten zwar, aber es kommt vor.
Und die Vorinstanz scheint selber der (von ihr behaupteten) Aussichtslosigkeit zu widersprechen, indem sie aufgrund einer vorgebrachten Rüge offenbar zwei Massnahmen trifft:
„Der Beschwerdeführer trug bereits im vorinstanzlichen Verfahren vor, der Ort der Leibesvisitationen in der Justizvollzugsanstalt Thorberg sei unbefriedigend. Diesem begründeten Einwand wird die Vorinstanz gerecht, indem sie die Justizvollzugsanstalt Thorberg anweist, bis zur Fertigstellung neuer Räumlichkeiten darauf zu achten, dass während der Leibesvisitation ausreichender Sichtschutz besteht. Zudem müsse gewährleistet werden, dass es zu keinen Störungen durch Personen komme, die nicht mit der Leibesvisitation beauftragt seien.“ (E.4.9)
Das Urteil widerspricht sich selbst, vor allem in E 3.3. Die NKVF (Nationale Kommission zur Verhütung von Folter) hat bereits Leitfäden veröffentlicht wie Leibesvisitationen stattfinden müssen, nämlich, mindestens zweiphasig (oder sonst wie mehrphasig) wie z.B. Oberteil anlassen, Unterteil ausziehen etc.
Das BGer schreibt in E 3.2 ja selbst „[i]Sie muss verhältnismässig sein (Art. 36 Abs. 3 BV). Das heisst, sie muss geeignet sein, den damit verfolgten Zweck zu erreichen.[/i]“, aber schreibt in E 3.3, dass es auch angemessen sein könnte, vollständig zu entkleiden: In den meisten Fällen ist das wohl nicht nötig, denn zweiphasige Leibesvisitationen sind generell fast immer möglich und sehr wahrscheinlich auch bei diesem Gefangenen, ebenfalls kann erwartet werden, dass die Gefängnismitarbeiter die Mühe nicht scheuen müssen, ein Bedeckungstuch bereitzustellen (genügende EGMR-Urteile dazu).
Btw. Dass der Staat bei Folter für seine Angestellten haftet, gilt _nur_ (not sure about it) für Entschädigungen, aber dennoch muss der Täter bestraft werden, denn gemäss Art. 13 der UNO-Konvention gegen Folter leitet sich gegebenenfalls auch ein Anspruch auf Bestrafung der Täter ab.
Jetzt werden Leute schreien, dass die Terminologien nicht übereinstimmen, quasi UNO-Folter != EGMR-Folter, aber das stimmt nicht, denn man kann nur eines dieser Gerichte bei Folter (und unmenschlicher Behandlung) anrufen, aber nicht beide, weshalb es offen bleiben kann, wie sehr sich die Rechtsprechung dieser Gerichte unterscheidet oder überschneidet.
Ebenfalls btw. Gemäss Art. 10 i. V. m. Art. 16 des von der Schweiz ratifizierten Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 trägt jeder Vertragsstaat dafür Sorge, dass die Erteilung von Unterricht und die Aufklärung über das Verbot der Folter (gemäss Art. 16 auch auf erniedrigende Behandlung anwendbar) als vollgültiger Bestandteil in die Ausbildung des mit dem Gesetzesvollzug betrauten zivilen und militärischen Personals, des medizinischen Personals, der Angehörigen des öffentlichen Dienstes und anderer Personen aufgenommen wird, die mit dem Gewahrsam, der Vernehmung oder der Behandlung einer Person befasst werden können, die der Festnahme, der Haft, dem Strafvollzug oder irgendeiner anderen Form der Freiheitsentziehung unterworfen ist. Es ist – sofern die Schweiz ihren Vertrag eingehalten hat – also davon auszugehen, dass sämtliche beteiligten Personen im Rahmen ihrer Ausbildung darüber aufgeklärt und sensibilisiert wurden, was eine erniedrigende Behandlung darstellt und dass es solche zu verhindern gilt.
***Dieser Text wurde mit Gemini Advanced verfasst, der BETA-Version für Deutsch (einige Teile davon von Mai 2024). Gemini analysiert neu-veröffentlichte Urteile des Bundesgerichts in Sekundenschnelle. Der Prozess des Parsens, Normalisierens und der Wissensextraktion dauert nur etwa 4 Sekunden. Insidern zufolge wird die deutsche Version von Gemini(-Workspace) noch in diesem Jahr veröffentlicht. Dann kann jeder die Vorteile von Gemini in Google Workspace (einschliesslich in Gmail) nutzen, z. B. automatisiertes Schreiben in Google Docs, Gmail etc. sowie die semantische Suche in Dokumenten (= Suchen nach Sinn) – und das für nur 17 CHF/Monat. Microsoft Copilot mit Office 365 und SharePoint kann da (noch) nicht mithalten.
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Ach der Staat muss sich doch nicht ans Gesetz halten, Gesetze sind für dem Pöbel. Und was die Folterkomission so erzählt interessiert doch die Schweiz nicht, wir sind die Grossartige Schweiz, das muss reichen.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Nichtanhandnahme/Einstellung eines Strafverfahrens nicht bedeutet, dass der Staat Gesetze missachtet. Auch wenn eine Straftat vorliegt und niemand bestraft wird, handelt der Staat möglicherweise im Rahmen seiner gesetzlichen Möglichkeiten.
Sowieso; Internationale Verträge != nationale Gesetze.
Der Staat hat in der Regel eine Ermittlungspflicht bei Straftaten. Es besteht jedoch kein Zwang zur Bestrafung, selbst wenn sich der Verdacht erhärtet. Niemand hat einen Anspruch darauf, dass eine andere Person bestraft wird. Der Strafanspruch obliegt beim Staat.
Ob der Täter im Staatsdienst steht oder nicht, ist irrelevant. Der Staat kann „einfach so“ von einer Bestrafung absehen, wenn er dies für angemessen hält. Er ist lediglich verpflichtet, Ermittlungen aufzunehmen. Das Verfahren kann eingestellt werden, auch wenn die Schuld erwiesen ist, denn Strafbefehl/Anklage ohne Strafe/Strafantrag macht keinen Sinn.. Eventuell ist es sogar möglich, einen Strafbefehl ohne Strafe zu erlassen. Zumindest habe ich von Anklagen, in denen der Strafantrag „keine Bestrafung“ ist, schon gehört…
Ja wenn dann halt beim normalen Bürger nie eingestellt wird, selbst bei reiner Selbstgefährdung womit der Staat gar kein Strafbedürfniss haben kann, insbesonderen in abstrakten Fällen und bei Staatsdiener immer eingestellt oder Nichtannahme verfügt wird, dann hat das halt ein Geschmäkle auch wenn es im Rahmen der geltenden rechtlichen Grundlagen passiert. Die geltenden rechtlichen Grundlagen interessieren mich ehrlich gesagt auch weniger, denn wenn die Geschichte etwas gezeigt hat, dann das was heute Gesetz ist morgen als Skandalöse Folter, Diskriminierung, usw von Minderheiten gerügt wird, die in aller Regel Klassenjustiz offenlegt, und diese haben wir längst nicht überwunden.
Ich möchte nur daran Erinnern das wir unter geltendem Recht:
Hexen verbrannten
Die Nationalsozialistischen Verbrechen des 2 Weltkrieges passierten
Frauen das Stimmrecht vorenthalten haben
Es als Sittenwidrig bezeichneten wenn zwei unverheiratete zusammelebten
Kinder der Familie braubten wenn diese nicht verheiratet war
Ich könnte Endlos weiter aufzählen, Moral Ethik und insbesondere der aktuelle Wissenschaftliche Stand ist für mich daher Massgebend und nicht die Ideolgien lokaler Bevölkerungen welche in Gesetze gekleidet werden und sich immer wieder als Skandale erweisen.
@John
Ich stimme dir vollkommen zu.
Eine einfache Lösung, ohne die Rechtssprechung gross zu ändern, wäre es, wenn die Urteile via Blind Peer Review erwachsen würden. Grössere Unternehmen machen das bei Bewerbern auch so. Jemand kann den Bewerber vollständig sehen und der Andere erhält nur anonymisierte Infos.
In den USA gibt es Untersuchungen, die aufzeigen, dass attraktive Menschen häufiger freigesprochen werden. Ebenfalls kommt es sehr darauf an, ob die Verhandlung Vormittags oder Nachmittags stattfand etc. Hungrige Richter und so
Im Urteil https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza://03-09-2024-6B_56-2024&lang=de&zoom=&type=show_document
Kann man nachlesen was die Personen tun die die Mittel haben….gegen Strafen kämpfen die bedingt sind und damit gar keine Wirkung auf Ihr Leben haben. Es gibt X Urteile die besagen das bei Leibesvisitationen von Polizisten zB diese wie oben ausgeführt geteilt zu erfolgen hat, trotzdem war sein begehren aussichtlos, das soll mal ein normaler Bürger verstehen, es verstehen es ja nicht mal die „Rechts“““wissenschaftlich“““““ Gelehrten