lex mitior: nicht im Beschwerdeverfahren nach BGG

Obwohl das Bundesgericht nach Art. 107 Abs. 2 BGG reformatorisch entscheiden kann und immer wieder betont, die Beschwerde in Strafsachen sei ein reformatorisches Rechtsmittel, wendet es die lex mitior-Regel auch unter dem Regime des BGG nicht an.

Dies und eine andere Frage (Art. 42 Abs. 2 StGB) klärt es in einem heute veröffentlichen Grundsatzentscheid (BGE 6B_23/2018 vom 26.03.2019, Publikation in der AS vorgesehen).

Zu Art. 2 Abs. 2 StGB (lex mitior):

Die Strafrechtliche Abteilung hat zu prüfen, ob die Vorinstanz das damals geltende Recht richtig angewendet hat auf den von ihr willkürfrei festgestellten Sachverhalt. Dem entspricht, dass die Beschwerde in Strafsachen in der Regel keine aufschiebende Wirkung hat (Art. 103 Abs. 1 und 3 BGG). Entscheidend ist dabei aber der Grundsatz; denn ob sich die lex mitior im bundesgerichtlichen Verfahren durchsetzt, kann nicht davon abhängen, ob im konkreten Fall der Instruktionsrichter oder die Instruktionsrichterin die aufschiebende Wirkung gewährte (Art. 103 Abs. 3 und BGG) oder ob das vorinstanzliche Dispositiv Anlass zu einer Ausnahme gab (Art. 103 Abs. 2 lit. b BGG).  
Nach dem Gesagten besteht auch unter der Herrschaft des Bundesgerichtsgesetzes keine Veranlassung, von der Rechtsprechung abzuweichen, welche der frühere Kassationshof zur eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde entwickelte (E. 2.8).

Dass die Regel eigentlich (nämlich in den wichtigsten Fällen) die Ausnahme ist (vgl. Art. 103 Abs. 2 BGG), erwähnt das Bundesgericht nicht.

Im Weiteren war zu klären, welcher Entscheid für die Fünfjahresfrist nach Art. 42 Abs. 2 StGB massgeblich sei, der erstinstanzliche oder der zweitinstanzliche. Das Bundesgericht entscheidet sich für den zweitinstanzlichen:


Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, führt der Fristbeginn mit dem vollstreckbaren Urteil nicht zu einer grundlosen Benachteiligung jener beschuldigten Personen, die ein erstinstanzliches Urteil akzeptieren. Vielmehr wird die erstinstanzliche Verurteilung mit der Berufung beseitigt. Wer gegen eine erstinstanzliche Verurteilung in Berufung geht, ist kein Verurteilter, sondern gilt weiterhin als unschuldig. Die Gewissheit über eine allfällige Verurteilung und die entsprechende Warnwirkung treten erst ein, wenn das vollstreckbare Urteil des Berufungsgerichts eröffnet ist. Es ersetzt das erstinstanzliche Urteil und wird gegebenenfalls im Strafregister eingetragen. Ferner sind bei der Anwendung von Art. 42 Abs. 2 StGB ausländische Urteile weiterhin zu berücksichtigen (Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches; BBl 1999 1979 ff., S. 2050). Auch mit Blick auf die Rechtssicherheit ist es angezeigt, auf das rechtskräftige Urteil abzustellen, denn ausländische Prozessordnungen sind oftmals anders aufgebaut als die schweizerische Strafprozessordnung und kennen insbesondere andere Instanzenzüge (E. 3.4.3).