Mal Privatmann, mal Polizist

In SJZ 115 (2019) Nr. 14 stellt Kollegin Katharina Fontana einen Bundesgerichtsentscheid vor, den ich übersehen hatte (BGer 1B_542/2018 vom 09.04.2019). Darin ist das Bundesgericht tatsächlich der Meinung, ein Polizist, der als Privater eine Strafanzeige erhebt, sei als Polizist nicht offensichtlich befangen und dürfe den Beschuldigten einvernehmen und zuhanden der Staatsanwaltschaft rapportieren.

Dem Beschuldigten wurde zum Verhängnis, dass er nicht sofort ein Ausstandsgesuch gestellt hatte. Ein Ausstandsgrund, der von Amts wegen zu beachten gewesen wäre, lag gemäss Bundesgericht nicht vor:

Unbehelflich ist diesbezüglich auch der Einwand des Beschwerdeführers, er sei ein juristischer Laie, der noch nie in ein Strafverfahren involviert gewesen sei und sich anlässlich der polizeilichen Einvernahme überrumpelt gefühlt habe. Dies mag zwar durchaus zutreffen, doch wäre es ihm möglich gewesen, ein paar Tage nach der Einvernahme ein Ausstandsbegehren zu stellen. Im Übrigen gab er bei der staatsanwaltschaftlichen Einvernahme selbst zu Protokoll, er habe noch gedacht, es sei komisch, dass er [B.] es [die Einvernahme] selber mache. Es wäre mithin zu erwarten gewesen, dass er sich nach der polizeilichen Einvernahme rechtskundig gemacht und sich einige Tage später über das Vorgehen beklagt hätte. Indem er stattdessen über zwei Monate zugewartet und erst nach Erhalt des Strafbefehls vom 4. September 2018 bzw. der Akteneinsicht vom 21.September 2018 tätig wurde, hat er seinen Anspruch, ein Ausstandsbegehren zu stellen, verwirkt.  
Als unbegründet erweist sich im Übrigen auch die Rüge des Beschwerdeführers, wonach ein offensichtlicher Anschein der Befangenheit vorgelegen habe, weshalb B. ohnehin zwingend von sich aus in den Ausstand hätte treten müssen. Dies trifft nicht zu. Bei der vorliegenden Konstellation kann nicht von einer derart offensichtlichen Ausstandspflicht gesprochen werden, dass der geltend gemachte Ausstandsgrund trotz Verspätung beachtet werden müsste (E. 3.2). 

Das sind die Entscheide, welche den Rechtssuchenden das Vertrauen in funktionierende Strafverfahren zu nehmen geeignet sind. Daran ändert auch nichts, dass der Polizist formell nicht wegen Nötigung verzeigt hat, was ihm noch ermöglicht hätte, sich als Privatkläger zu konstituieren. Der Entscheid wird sich vermutlich auch auf die Beweislage auswirken. Im Urteil wird wohl stehen, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Vorwürfe gegen den Automobilisten nicht zutreffend sein sollten. “In dubio pro reo” halt.