Mangelhafte Protokollierung?
In einem Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht stellten sich Fragen nach der Verletzung von Protokollierungs- und Belehrungspflichten sowie den allfälligen Folgen (BGer 6B_734/2011 vom 04.04.2012). Das Bundesgericht hatte für solche Rügen wie so oft kein Gehör.
Der Beschwerdeführer machte u.a. geltend, eine Belastungszeugin habe nach einem längeren nicht protokollierten Gespräch ihr Aussageverhalten vollständig geändert. Das Bundesgericht erklärt, warum das keine Rolle spielt:
Die Vorinstanz durfte den belastenden Aussagen von C. Glauben schenken (…). Die kantonalen Instanzen gingen der Frage nach, ob sich diese unter dem Druck der Untersuchungshaft möglicherweise zu unwahren, den Beschwerdeführer belastenden Aussagen hinleiten liess. Darauf angesprochen gab C. anlässlich der Hauptverhandlung als Zeugin zu Protokoll, als sie in Untersuchungshaft gewesen sei, habe sie sich überlegt, wie sie am schnellsten aus dem Gefängnis komme. Die Frage, ob sie damals Aussagen gemacht habe, die sie heute ohne diesen Druck nicht mehr machen würde, verneinte sie jedoch (…). Die Vorinstanz durfte unter diesen Umständen eine unzulässige Beeinflussung verneinen (…). Die Behauptung, C. sei eine Verfahrenseinstellung versprochen worden, ist spekulativ, weil dieser Entscheid nicht dem einvernehmenden Polizeibeamten oblag (E. 2.2).
Vor allem der letzte Satz erscheint mir als reichlich praxisfern.
Auch aus dem nicht protokollierten Gespräch konnte der Beschwerdeführer nichts ableiten. Zuerst äusserte sich das Bundesgericht zu den Protokollierungspflichten:
Die Anforderungen an die Protokollierung ergeben sich in erster Linie aus dem anwendbaren Strafprozessrecht. Als Minimalgarantie leitet die Rechtsprechung eine Pflicht zur schriftlichen Protokollierung von entscheidrelevanten Tatsachen und Ergebnissen auch aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV ab (BGE 130 II 473 E. 4.2; 124 V 389 E. 3). Die Protokollierungspflicht hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Im Strafverfahren müssen mindestens die wesentlichen Zeugenaussagen im Protokoll schriftlich festgehalten werden. Die blosse Würdigung der Aussagen in den Erwägungen des Urteils genügt nicht (BGE 126 I 15 E. 2a/bb mit Hinweisen) [E. 2.3.1].
Was das anwendbare Prozessrecht vorschreibt, erwähnt das Bundesgericht leider nicht. Aber das war auch nicht notwendig:
Die angeblich “unprotokollierten Gespräche” fanden insofern Eingang in die Akten, als im Einvernahmeprotokoll vom 13. Februar 2007 ein Hinweis auf die von C. gewünschte Unterredung mit dem Polizeibeamten N. erfolgte, anlässlich welcher dieser ihr “deutlich erklärte, dass er der Version von B. Glauben schenke” (…). Im Protokoll der Einvernahme vom 24. Februar 2007 hielt der einvernehmende Polizeibeamte fest, “es sei nochmals über die ganze Geschichte aus dem Jahre 2001 gesprochen worden und C. habe sich jetzt bereit erklärt, alles was damals passiert sei, zu erzählen” (…). Die unterbliebene wörtliche Aufzeichnung der fraglichen Gespräche kann nicht zur Folge haben, dass auch die gehörig protokollierten Aussagen unverwertbar sind, nachdem die Vorinstanz anhand der Einvernahmeprotokolle in der Lage war, die Aussagen von C. auf ihre Glaubhaftigkeit hin zu überprüfen und Anhaltspunkte für belastende Falschaussagen fehlen (E. 2.3.2).
Nun, ich schlage vor, völlig auf die lästige Protokollierung zu verzichten. Es reicht doch, wenn die Polizeibeamten eine Aktennotiz über den wesentlichen Inhalt der Befragungen erstellen.
Gerügt wurde ferner, dass ein Belastungszeuge, der als Auskunftsperson befragt wurde, nicht gesetzeskonform über sein Aussageverweigerungsrecht belehrt wurde. Das Bundesgericht lässt die Frage nach der Belehrung offen und verweist darauf, dass der Betreffende seine Aussagen ja später gesetzeskonform bestätigt habe:
Offen bleiben kann, ob B. am 7. und 22. Dezember 2006 die Stellung einer Auskunftsperson im Sinne von § 149a StPO/ZH hatte, da er im Anschluss an diese Befragungen wiederholt von den Strafverfolgungsbehörden des Kantons Basel-Stadt einvernommen wurde, wobei er seine früheren Angaben jeweils bestätigte. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass und inwiefern die Vorinstanz nicht nur auf die späteren, teilweise unter Zeugnispflicht erfolgten Aussagen von B. gegenüber den basel-städtischen Strafverfolgungsbehörden abstellt, sondern auch auf dessen Aussagen vom 7. und 22. Dezember 2006 gegenüber der Kantonspolizei Zürich. Soweit er geltend macht, die ungenügende Belehrung über das generelle Aussageverweigerungsrecht gemäss § 149b Abs. 2 StPO/ZH müsse auch zur Unverwertbarkeit der späteren Aussagen von B. führen, kann ihm nicht gefolgt werden, da der fehlende Hinweis auf das Aussageverweigerungsrecht nach der Rechtsprechung die Verwertbarkeit einer erneuten, regelkonform erfolgten Einvernahme nicht tangiert (BGE 130 I 126 E. 3.4) [E. 3.3]
Ach ja, das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wurde dem zu 19 Jahren verurteilten Beschwerdeführer wegen Aussichtslosigkeit abgewiesen.