Massive Kürzung der Kostennote nicht willkürlich

Das Bundesgericht weist eine weitere Beschwerde gegen die Entschädigung eines Freigesprochenen ab (BGer 6B_528/2010 vom 16.09.2010). Die Vorinstanz hatte den geltend gemachten Aufwand der Verteidigung von 1,179 Stunden auf 62o Stunden reduziert und dies u.a. damit begründet, dass der Aufwand der amtlichen Verteidiger zweier Mitbeschuldigter wesentlich geringer war. Solche Vergleiche sind zwar problematisch, werden in der Praxis aber gerne herangezogen, um einem Beschuldigten die Kosten, die er seinem Anwalt bezahlen muss, nicht voll erstatten zu müssen. Dass die Rechtsprechung damit auch den Markt beschränkt und faktisch staatliche Höchstpreise für die private Strafverteidigung einführt, scheint allen zu entgehen.

Interessant und jedenfalls im Grundsatz sehr zu begrüssen ist immerhin folgende Erkenntnis des Bundesgerichts:

Im Übrigen verkennt der Beschwerdeführer, dass beispielsweise der blosse Seitenumfang der Plädoyernotizen nicht zwingend Rückschlüsse auf den für die Vorbereitung der Hauptverhandlung getätigten Aufwand zulassen, nachdem weitschweifige Ausführungen und Wiederholungen nicht mit einem grossen Arbeitsaufwand verbunden sein müssen, während umgekehrt die Vorbereitung eines bewusst kurz gefassten und auf das Wesentliche beschränkten Plädoyers viel Zeit in Anspruch nehmen kann. Der Umstand, dass die Plädoyernotizen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers rund 162 Seiten umfassten und jene des Verteidigers von O. nur 32 Seiten (Beschwerde S. 14), lässt daher nicht den Schluss zu, die Vorinstanz habe den Umfang des notwendigen Verteidigungsaufwands offensichtlich verkannt (E. 2.5, Hervorhebung durch mich).

Was die Höhe des Stundenansatzes anbelangt, hält das Bundesgericht an seiner Rechtsprechung fest, wonach ein Ansatz von CHF 250.00 zwar tief, aber nicht unhaltbar tief sei:

Die Entschädigung von Fr. 250.– pro Stunde ist im Verhältnis zu den heute unter Strafverteidigern im freien Dienstleistungsverkehr praktizierten Ansätzen eher tief. Das Bundesgericht erachtete jedoch einen Stundenansatz von Fr. 250.– in Fällen mittlerer Komplexität bzw. von Fr. 200.– oder Fr. 220.– in weniger komplexen Verfahren auch in unlängst ergangenen Entscheiden als mit dem Willkürverbot vereinbar (vgl. Urteil 6B_30/2010 vom 1. Juni 2010 E. 5.4.2 und die dort zitierten Entscheide). Die Entschädigung eines tieferen Stundenansatzes als den mit dem privaten Verteidiger vereinbarten verstösst nicht gegen Art. 6 Ziff. 3 lit. c EMRK, wenn auch ein Rechtsanwalt mit einem durchschnittlichen oder relativ tiefen Stundenansatz Gewähr für eine wirksame Verteidigung bietet (Urteil 6B_30/2010 vom 1. Juni 2010 E. 5.4.3) (E. 3.2, Hervorhebungen durch mich).

Der letzte Satz wird nicht dadurch richtig, dass ihn das Bundesgericht wiederholt. Es gibt auch Rechtsanwälte, die eine wirksame Verteidigung pro bono führen. Nach der Logik des Bundesgerichts wäre es damit wohl auch konventionskonform, den Aufwand der Verteidigung überhaupt nicht zu ersetzen.

Ich bin gespannt auf die ersten Urteile unter dem Regime der neuen StPO/CH. Dann stützt sich der Entschädigungsanspruch auf Bundesrecht, womit das Bundesgericht seine Kognition nicht mehr auf Willkür beschränken kann, oder doch nicht?