Meldepflichten für Rechtsanwälte in der EU

Handakte WebLAWg weist auf ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Rs. C-305/05 vom 26.07.2007 hin. Danach obliegt den Anwälten bei Verdacht der Geldwäscherei (wir Schweizer nennen das halt so) die Pflicht, ihre Klienten bei den Behörden zu melden. Die Grundlage findet sich in der Richtlinie 91/308.

In einem Vorabentscheidungsverfahren machten die Kläger gegen die belgische Umsetzung der Richtlinie in Landesrecht insbesondere geltend,

dass die Art. 4, 25 und 27 des Gesetzes vom 12. Januar 2004 in nicht zu rechtfertigender Weise die Grundsätze des Berufsgeheimnisses und der anwaltlichen Unabhängigkeit, die konstitutiver Bestandteil des Grundrechts jedes Bürgers auf ein faires Verfahren und auf die Beachtung der Verteidigungsrechte seien, verletzten, da sie auch Rechtsanwälte für den Fall, dass sie auf Tatsachen stießen, von denen sie wüssten oder hinsichtlich deren sie den Verdacht hätten, dass sie mit Geldwäsche zusammenhingen, verpflichteten, die zuständigen Behörden zu unterrichten und ihnen zusätzlich die Auskünfte zu erteilen, die diese für nützlich hielten. Die genannten Artikel verstießen somit gegen die Art. 10 und 11 der belgischen Verfassung in Verbindung mit Art. 6 EMRK, die allgemeinen Rechtsgrundsätze bezüglich der Rechte der Verteidigung, Art. 6 Abs. 2 EU und die Art. 47 und 48 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) (Rz. 12, Hervorhebungen durch mich).

Die berufsrechtlichen Bedenken widerlegte der EuGH mit den in der Richtlinie vorgesehenen Freistellungspflichten für die anwaltstypischen Tätigkeiten:

Nach diesem Erwägungsgrund müssen außerdem Freistellungen von der Pflicht zur Meldung von Informationen vorgesehen werden, die vor oder nach einem Gerichtsverfahren bzw. während eines Gerichtsverfahrens oder im Rahmen der Beurteilung der Rechtslage für einen Mandanten erlangt wurden (Rz. 24, Hervorhebungen durch mich).

Verglichen mit der schweizerischen Auffassung sind die anwaltlichen Monopoltätigkeiten übrigens deutlich weiter gefasst und beschlagen insbesondere auch die Rechtsberatung.

Die Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) verneinte der EuGH wie folgt:

Diese Tätigkeiten finden im Allgemeinen schon aufgrund ihrer Art in einem Kontext, der keine Verbindung zu einem Gerichtsverfahren hat, und somit außerhalb des Anwendungsbereichs des Rechts auf ein faires Verfahren statt (Rz. 33).

Dass nun nicht der grosse Dammbruch beim Anwaltsgeheimnis eingetreten ist, belegt die anschliessende Erwägung:

Sobald im Übrigen ein Rechtsanwalt, der im Rahmen einer in Art. 2a Nr. 5 der Richtlinie 91/308 genannten Transaktion tätig geworden ist, um Beistand im Zusammenhang mit der Verteidigung, der Vertretung vor Gericht oder einer Beratung über das Betreiben oder Vermeiden eines Verfahrens ersucht wird, ist er gemäß Art. 6 Abs. 3 Unterabs. 2 der genannten Richtlinie von den in Art. 6 Abs. 1 aufgeführten Pflichten befreit, ganz gleich, ob er die Informationen vor, während oder nach dem Verfahren erlangt hat. Eine solche Befreiung wahrt das Recht des Mandanten auf ein faires Verfahren (Rz. 34).