Mengenmässig schwerer Fall: Alles beim Alten
In einem neuen Grundsatzentscheid klärt das Bundesgericht eine umstrittene Frage zur mengenmässigen Qualifikation der Widerhandlung gegen das BetmG (Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG). Das Bundesgericht hält an seiner Rechtsprechung zum alten Recht gegen die wohl herrschende Lehre fest und bringt es wie folgt auf den Punkt (BGE 6B_17/2022 vom 18.03.2024, Publikation in der AS vorgesehen):
Zusammenfassend liegt nach dem geltenden Recht ein mengenmässig schwerer Fall gestützt auf Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG somit weiterhin nicht nur dann vor, wenn eine einzelne Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz oder mehrere solche Widerhandlungen, die ein zusammengehörendes Geschehen und damit eine natürliche Handlungseinheit bilden, eine qualifizierte Betäubungsmittelmenge betreffen, sondern auch dann, wenn eine entsprechende Menge nur unter gesamthafter Betrachtung mehrerer, rechtlich selbständiger Widerhandlungen erreicht wird. Ob mehrere Widerhandlungen als ein zusammengehörendes Geschehen erscheinen oder ob sie voneinander unabhängige Einzelhandlungen darstellen, bleibt für die Frage des Vorliegens eines mengenmässig schweren Falls folglich ohne Belang. In der einen wie der anderen Konstellation sind die Gegenstand der einzelnen Handlungen bildenden Betäubungsmittelmengen zu addieren, um das Vorliegen eines mengenmässig schweren Falls zu bestimmen. Anlass, von dieser etablierten Rechtsprechung abzuweichen, besteht nicht (E. 1.6.3).
Der Entscheid ist – soweit ich es überblicken kann – sehr gut und umfassend begründet. Ich wäre sehr gespannt auf eine allfällige “dissenting opinion” aus der Lehre.
Auch eine umfassende und gute Begründung ändert nichts daran, dass diese Praxis eine Gesamtbetrachtung einzelner Delikte zulässt, welche das Bundesgericht sowohl in Bezug auf die Verjährung (vgl. BGE 131 IV 83, E. 2.4) als auch die Strafzumessung (vgl. BGE 144 IV 217, E. 3.5.4) für unzulässig erklärt hat.