Menschenunwürdiger Haftvollzug
Im “Fall Carlos” kassiert das Bundesgericht erneut einen Haftentscheid (BGer 1B_398/2021 vom 04.08.2021; vgl. dazu bereits BGer 1B_326/2021 vom 05.07.2021 sowie BGer 1B_52/2021 vom 24.03.2021, der noch immer zur Publikation in der AS vorgesehen ist). Das Haftentlassungsgesuch weist das Bundesgericht weiterhin ab, obwohl der Beschwerdeführer mit zwei Privatgutachten die Haftbedingungen als menschenunwürdig und damit rechtswidrig kritisiert hat. Das Obergericht hat die Privatgutachten nicht hinreichend gewürdigt:
Auch was die beiden Privatgutachten betrifft, hat das Bundesgericht bereits im Haftentlassungsentscheid festgehalten, es liege ein Verfahrensmangel vor. Solche Privatgutachten sind nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Richtlinien für die Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. etwa BGE 125 V 351 E. 3c S. 354; Urteil des Bundesgerichts 8C_28/2021 vom 9. April 2021 E. 4.2), was das Obergericht nicht ausreichend getan hat. Auch insofern erweist sich der Verweis auf die frühere Präsidialverfügung im angefochtenen Entscheid als untauglich. Der frühere Verfahrensmangel schlägt in diesem Sinne auf die angefochtene Verfügung durch (E. 3.2).
Es stellt sich die Frage, wie lange das Bundesgericht solche Verhältnisse noch zulässt und sich trotz wiederholter formeller Fehler weigert, endlich selbst die beantragte Haftentlassung zu verfügen. Es mutet reichlich grotesk an, das Verfahren in die Länge zu ziehen, die Frage nach der menschenunwürdigen Haft einfach unbeantwortet zu lassen und diese wegen (wiederholter) formeller Fehler der Vorinstanz gegebenenfalls beliebig zu verlängern. Das an sich halte ich auch für menschenunwürdig.
Bedanken darf man sich bei der empörten “öffentlichen meinung” und der erbärmlichen vorstellung der politisch verantwortlichen damals im zusammenhang mit dem sog. Sondersetting, welches ja so unerhört teuer war (ein argument, welches in der schweiz immer zieht). Blöd nur, dass inzwischen über 30 personen notwendig sind, um dem häftling eine stunde “ausgang” zu ermöglichen. Ganz zu schweigen von den kosten des übrigen haft”sondersettings”. Tja, das hat man nun von der rappenspalterei gestützt auf die sog. Öffentliche meinung. Mir tun einfach die direktbetroffenen leid, welche das ausbaden müssen.
@Rappenspalter: Wie gut dass niemand weiss, dass das damalige Sondersetting gar nicht oder jedenfalls nicht wesentlich teurer war als ein stationärer Massnahmenvollzug ohne jedes Sondersetting.
Brian K. ist heute auf den Tag genau seit drei Jahren in strenger Einzelhaft, auch Isolationsfolter genannt. Wer nicht glaubt, dass strenge Isolationshaft in schwerstem Mass die physische und psychische Gesundheit eines Menschen schädigt, kann sich im Internet schlau machen (Wikipedia). Der Foltercharakter der strengen Einzelhaft gehört damit zum Allgemeinwissen.
Für die Folter, denen Brian K ausgesetzt ist, ist Regierungsrätin Jacqueline Fehr von der SP politisch verantwortlich.
Der Präsident der I. Strafkammer des ZH-OG weigert sich, die von der Verteidigung eingereichten Gutachten (und das Allgemeinwissen über den Foltercharakter) zur Kenntnis zu nehmen. Er setzt sich damit dem Verdacht aus, Folter zu legitimieren.
@RA Bernard Rambert: Und was genau hindert eigentlich das BGer, die beantragte Entlassung zu beschliessen? Es verlängert ja die Haft selbst auch, indem es zwar die Beschwerden gutheisst (immerhin), aber dann einfach alles wieder zurück nach Zürich schiebt. Wenn später einmal ein Gericht doch noch zum Schluss kommt, dass der Foltertatbestand erfüllt ist, dann trifft der Vorwurf doch auch Lausanne. Oder sehe ich das falsch? Oder vertrauen einfach doch alle darauf, dass nie ein Gericht Folter feststellen wird?
Was hindert das BGer, die Entlassung zu beschliessen? Der Präsident der I. Strafkammer verletzt das rechtliche Gehör, und das führt eo ispo zur Aufhebung des Entscheides. Also muss das BGer alles andere nicht beurteilen und sich (einstweilen) nicht mit der Frage der Folter auseinandersetzen. Die heisse Kartoffel wird weitergereicht. Das machen nicht nur Politiker/innen, das ist auch das business as usual der Gerichte, oder übersehe ich da etwas?
Natürlich trifft der Vorwurf an den Präsidenten der I. Strafkammer auch das Bundesgericht, was dieses aber entschieden zurückweisen wird, weil es ja erst dafür sorgen muss, dass alles mit rechten (prozessrechtlichen) Dingen zu und her geht. Und sollte es später feststellen wollen, was Sache ist, nämlich dass auch hierzulande gefoltert wird, dann hat es alles richtig gemacht. Und wenn erst später von irgendeiner internationalen Institution festgestellt wird, dass es Folter war, dann hat man sich eben geirrt. Ist schon einmal ein Richter, geschweige denn eine Bundesrichterin für einen Fehlentscheid zur Verantwortung gezogen worden? Das würde ja gerade noch fehlen und dezidiert als Frontalangriff auf die richterliche Unabhängigkeit zurückgewiesen werden, natürlich auch wieder von einem Gericht. Alles klar?
@kj: “…..Foltertatbestand erfüllt ist, dann trifft der Vorwurf doch auch Lausanne”
Es ist doch offensichtlich, dass man sich bei diesem Deliktsspektrum lieber diesem Vorwurf aussetzt als dem Vorwurf, man habe ihn freigelassen und er sei dann rückfällig geworden….im schlimmsten Fall wird der Staat eines Tages Entschädigungen, etc. zu bezahlen haben….so einfach ist das…eine andere Erwartungshaltung zu haben oder sich pseudo-empört zu zeigen ist doch recht naiv und realitätsfremd….und damit will ich nicht sagen, dass ich das auch gut finde.
Die vereinigte Intelligenzija in Mon Repos (vide insb. GS) und die Herren RA (deren drei), urteilend bzw. plädierend vom (amtlich) finanzierten Bürotisch, nie auch nur annähernd an Menschen wie “Carlos” herangekommen, schwingen die Folterkeule. Aber gut, lasse man ihn gehen, und schaue zu, was passiert.
@Zuschauer: wenigstens nicht anonym wie Sie.
2 von den 3 arbeiten unentgeltlich. Vom amtlich finanzierten Bürotisch ? Es gibt schon Leute die leiden an Realitätsverrzerrung. Woher hat das Amt den das Geld ? Das amt finanziert gar nichts, es ist immer der Bürger der zahlt….der bürgtx darum heisst er ja auch Bürger
Das Formelle Recht soll nicht zu einer unüberwindbaren Hürde für das materielle Recht werden, sondern diesem zum Durchbruch verhelfen, las ich mal….meine Erfahrung sagt, das Gegenteil ist die Realität
der noch immer zur Publikation in der AS vorgesehen ist
Woher weiss man das? Ich habe noch bei keinem einzigen Bundesgerichtsurteil gesehen, dass eine Publikation in der AS vorgesehen ist.
@Peter Frey: in der Liste der täglich erscheinenden Liste der “Neuheiten” markiert das Bundesgericht die Urteile, die zur Publikation vorgesehen sind.