minima non curat praetor basiliensis

Nach über total fast fünf Jahren strafprozessualer Haft ersuchte der Beschuldigte um Haftentlassung, welche die zuständige Präsidentin des Appellationsgericht BS abwies. Auf die gleichzeitig vorgetragenen Rügen der widerrechtlichen Haftbedingungen und der Verletzung des Beschleunigungsgebots trat die Präsidentin nicht ein (nicht zuständig). Das Bundesgericht heisst seine Laienbeschwerde deshalb in beiden Punkten gut (BGer 1B_363/2022 vom 25.07.2022). Die Präsidentin hat sich über die Rechtsprechung des Bundesgerichts hinweggesetzt und ist in formelle Rechtsverweigerung verfallen:

In seiner Beschwerde ans Bundesgericht kritisiert der Beschwerdeführer, die Präsidentin des Appellationsgerichts sei zu Unrecht nicht auf seine Vorbringen eingegangen. Er trägt zudem konkret vor, weshalb die Haftbedingungen seines Erachtens gegen Art. 3 EMRK verstossen. Nach dieser Bestimmung darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Insbesondere weist der Beschwerdeführer auf die Hitze in seiner Zelle, unzureichende Frischluft und verschmutztes Wasser hin und unterlegt seine Behauptungen mit Berichten der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) und Zeitungsartikeln. 

Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist das die Untersuchungs- oder Sicherheitshaft beurteilende Gericht über die Haftvoraussetzungen hinaus auch zuständig zu prüfen, ob eine glaubhaft gemachte Behauptung, wonach die Haftbedingungen Art. 3 EMRK verletzen, zutrifft (BGE 139 IV 41 E. 3.1; Urteil 1B_607/2021 vom 25. November 2021 E. 2.2; je mit Hinweisen). Dies gilt unbesehen des Umstands, dass unzulässige Haftbedingungen keine Haftentlassung rechtfertigen (BGE 139 IV 41 E. 2.2; vgl. auch Urteil 1B_146/2022 vom 6. April 2022 E. 2.3.2; je mit Hinweisen). Indem die Vorinstanz von dieser Rechtsprechung abwich, verletzte sie das Gebot der formellen Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV) [E. 6].

Zum Beschleunigungsgebot musste das Bundesgericht eine weitere Rechtsverweigerung feststellen:

Die Präsidentin des Appellationsgerichts erachtete sich weiter für unzuständig, auf die vom Beschwerdeführer gerügte Verletzung des Beschleunigungsgebots einzugehen. Dies sei Gegenstand des ordentlichen Berufungsprozesses. Auch in dieser Hinsicht wich sie von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ab. Danach ist eine Verletzung des Beschleunigungsgebots sehr wohl im Haftverfahren zu prüfen (statt vieler: BGE 137 IV 92; Urteile 1B_443/2016 vom 12. Dezember 2016 E. 3.3; 1B_138/2021 vom 9. April 2021 E. 2.3; je mit Hinweisen). Die Weigerung, die betreffende Rüge des Beschwerdeführers zu behandeln, bedeutet eine zusätzliche Rechtsverweigerung (E. 7).