Miranda-Warnings
Das Bundesgericht weist eine Beschwerde ab, mit der u.a. die Verwertbarkeit von Geständnissen in Frage gestellt wurde (BGer 6B_327/2010 vom 19.08.2010). Das Bundesgericht stellt zunächst fest, dass Art. 31 Abs. 2 BV bezüglich Miranda-Warnings über über die Garantien der EMRK und des IPBPR hinausgehe. Jede Person, der die Freiheit entzogen werde, habe
Anspruch darauf, unverzüglich und in einer ihr verständlichen Sprache über die Gründe des Freiheitsentzuges und über ihre Rechte unterrichtet zu werden. Sie muss ferner die Möglichkeit haben, ihre Rechte geltend zu machen. Soweit die festgenommene Person davor bewahrt werden soll, sich selber zu belasten, dient die Information über das Aussageverweigerungsrecht der Gewährleistung ihrer Verteidigungsrechte (E. 2.3).
Die Folge einer unterbliebenen Rechtsbelehrung ist gemäss Bundesgericht grundsätzlich die Unverwertbarkeit der entsprechenden Aussage. Juristische Grundsätze zeichnen sich aber bekanntlich dadurch aus, dass sie ausnahmsweise nicht zum Tragen kommen:
In Abwägung der entgegenstehenden Interessen können indes trotz unterlassener Unterrichtung über das Aussageverweigerungsrecht die Einvernahmen ausnahmsweise verwertet werden, wenn hinreichend erwiesen ist, dass die festgenommene Person ihr Schweigerecht gekannt hat. Davon ist nach der Rechtsprechung etwa auszugehen, wenn der Beschuldigte in Anwesenheit seines Anwalts angehört worden ist (BGE 130 I 126 E. 3.2; Urteil des Bundesgerichts 1P.399/2005 vom 8.5.2006 E. 2, je mit Hinweisen) (E. 2.3).
Hier greift das Bundesgericht m.E. zu kurz. Das blosse „Kennen“ des Schweigerechts genügt nach der Rechtsprechung des EGMR eben gerade nicht (vgl. dazu die Urteile Pishchalnikov und Salduz, nach denen wohl kaum noch davon gesprochen werden kann, der Schutz der BV gehe über denjenigen der EMRK hinaus). Das Ergebnis der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird im vorliegenden Fall wie folgt festgehalten:
Der Beschwerdeführer wurde erstmals am 20. März 2000 vor der Kantonspolizei Thurgau als Beschuldigter zur Sache befragt. Dabei wurde er nicht über seine Rechte belehrt (…). In der folgenden Einvernahme beim Bezirksamt Arbon vom selben Tag wurde er demgegenüber in Gegenwart des Untersuchungsrichters ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er jederzeit einen Anwalt nach freier Wahl und auf eigene Kosten beiziehen oder ein Gesuch um amtliche Verteidigung stellen könne. Zudem wurde er auf sein Aussageverweigerungsrecht aufmerksam gemacht (…). Diese Belehrung wurde in den folgenden, im Zeitraum vom 21. März bis 8. November 2000 vor dem Bezirksamt Arbon fortgesetzten Einvernahmen nicht mehr wiederholt (…). In der vor dem Bezirksamt Arbon rechtshilfeweise für die luxemburgische Justiz durchgeführten Einvernahme vom 5. Dezember 2000 (…) und in den Einvernahmen beim Kantonalen Untersuchungsamt vom 5. März 2004 (…) wurde der Beschwerdeführer erneut ausdrücklich darüber belehrt, dass er nicht zur Aussage verpflichtet sei bzw. die Aussage verweigern könne.
Der Beschwerdeführer ist mithin in der ersten untersuchungsrichterlichen Einvernahme auf sein Aussageverweigerungsrecht hingewiesen worden. Dass die Belehrung in den folgenden Vernehmungen nicht wiederholt wurde, schadet nicht, da die Belehrung in der ersten Einvernahme genügt. Ausserdem war der damalige Verteidiger des Beschwerdeführers an verschiedenen Einvernahmen, erstmals am 23. März 2000, anwesend (…). Damit sind, wie die Vorinstanz zu Recht erkennt, jedenfalls die untersuchungsrichterlichen Einvernahmen ohne weiteres verwertbar. Die erste Einvernahme vor der Kantonspolizei kann demgegenüber nicht verwertet werden. Dies ist allerdings nicht von Bedeutung, da auch der Beschwerdeführer nicht vorbringt, die Vorinstanz hätte sich wesentlich auf diese Aussage gestützt (E. 2.4).
Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden:
- Was vor der Belehrung über das Schweigerecht gesagt wird, ist nicht verwertbar, aber nur, wenn kein Rechtsbeistand anwesend war.
- Eine einmalige Rechtsbelehrung reicht. Sie muss bei späteren Einvernahmen nicht wiederholt werden.
- Falls ein Rechtsbeistand teilnimmt, ist eine Belehrung nicht notwendig.