Mittäterschaft bei qualifiziertem Raub
Das Bundesgericht kassiert ein Urteil des Obergerichts AG auf zwei Beschwerden hin gleich doppelt (BGer 6B_789/2020 vom 31.01.2022 und BGer 6B_797/2020 vom 31.01.2022, je Fünferbesetzung). Die Hauptkritik des Bundesgerichts bezog sich auf die bundesrechtswidrige Zurechnung von Tatbeiträgen der Mittäter (vgl. dazu BGE 143 IV 361 E. 4.10). Aus dem erstzitierten Entscheid:
Die Vorinstanz rechnet ihm aber zu Unrecht alle Handlungen des Mittäters C. – namentlich auch den Einsatz der geladenen Schusswaffe und die Schussabgabe – zu. Zwar setzt die Annahme des Vorsatzes keine sichere Voraussicht des genauen Geschehensablaufs voraus. Es genügt, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung, hier die Herbeiführung einer Lebensgefahr, ernsthaft für möglich hält. Davon kann in Anbetracht der vorinstanzlichen Feststellungen aber nicht ausgegangen werden. Nachdem C. , B. und der Beschwerdeführer zusammen den Entschluss gefasst hatten, die Tankstelle zu überfallen, blieb der Beschwerdeführer als Wache im Fahrzeug, während die anderen beiden maskiert den Tankstellenshop betraten. Nach den Feststellungen der Vorinstanz wurde über den Tatplan nicht gesprochen; insbesondere wurde über den Einsatz der Schusswaffe nicht diskutiert bzw. es wurde nie klar abgemacht, ob die Waffe zum Schiessen gebraucht werden soll oder nicht. Die Vorinstanz hält diesbezüglich fest, die Schussabgabe sei nicht „direkte Absicht“ gewesen. Gemäss ihrer weiteren Erwägung, wonach es der Beschwerdeführer unterlassen habe, abzuklären, ob die Waffe geladen gewesen sei, ist überdies davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zwar wusste, dass C. eine Schusswaffe mit sich führte, ihm aber nicht bekannt war, dass diese geladen war. In tatsächlicher Hinsicht lässt sich dem angefochtenen Entscheid sodann entnehmen, dass nicht feststeht, ob C. die Waffe bereits im Wagen oder erst vor der Schussabgabe durchlud (…). Im Lichte dieser Gegebenheiten kann nicht angenommen werden, dass der von C. abgegebene Schuss im Tankstellenshop oder bereits der Einsatz einer geladenen Schusswaffe, dem gemeinsamen Tatplan entsprochen hat. Alleine aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer wusste, dass C. zuvor schon Raubüberfälle verübt hatte, wobei bei mindestens einem davon ein Schuss gefallen sei, kann vorliegend nicht der Schluss gezogen werden, der Beschwerdeführer habe deshalb konkludent die Herbeiführung einer Lebensgefahr billigend in Kauf genommen (vgl. E. 2.3.4). Die Bejahung des Eventualvorsatzes bezüglich der Qualifikation als lebensgefährlichen Raub verletzt demnach Bundesrecht (E. 2.4).