Mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft
Das Bundesgericht weist eine Beschwerde der Bundesanwaltschaft gegen den Teil-Freispruch des Kanzleichefs einer schweizerischen Botschaft im Ausland (BGer 6B_904/2010 vom 16.06.2011). Der Kanzleichef hatte keine “umfassende Herrschaft (maîtrise totale) über die Situation”:
Das Urteil sorgfältig begründete Urteil äussert sich u.a. zur Frage der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft und auch zur Abgrenzung zur Anstiftung:
3.5 Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht. Zwar trifft zu, dass sich die mittelbare Täterschaft tatsächlicher Leitungspersonen auch kraft Organisationsherrschaft ergeben kann. Der Täter erscheint bei dieser Konstellation, obwohl der unmittelbar Handelnde das konkrete Tatgeschehen ohne Einschränkung beherrscht, insoweit als der eigentliche Herr des Geschehens, als er die Organisation in der Hand hat und sich darauf verlassen kann, dass seine Anordnungen in die Tat umgesetzt werden (STRATENWERTH, a.a.O., § 13 N 40 f.). Dies bezieht sich namentlich auf rechtsgelöste organisatorische Machtapparate. Bei diesen ergibt sich die Täterschaft des Hintermannes trotz verantwortlichen Tatmittlern aufgrund der spezifischen Wirkungsweise einer solchen deliktischen Organisation und deren Auswirkungen auf die Vorderleute, die sich die Befehlshaber mittels ihrer Anordnungsgewalt zu Nutze machen (SCHÖNKE/SCHRÖDER/HEINE, Strafgesetzbuch, Kommentar, 28. Aufl., München 2010, § 25 N 25 f.).
Ob unter diese Form mittelbarer Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auch jegliche staatliche, unternehmerische oder geschäftsähnliche Organisationsstruktur schlechthin fällt, kann offenbleiben. Zwar hat das Bundesgericht in einem früheren Entscheid nicht ausgeschlossen, dass schon die beherrschende Stellung des leitenden Direktors eines Inkassounternehmens gegenüber deren Angestellten für die Annahme mittelbarer Täterschaft genügen könnte (BGE 120 IV 17 E. 2d, S. 17; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, 3. Aufl. 2005, § 13 N 37). Doch lässt sich im zu beurteilenden Fall jedenfalls nicht sagen, der Beschwerdegegner habe seinen Angestellten genaue Anweisungen gegeben und umfassende Herrschaft (maîtrise totale) über die Situation gehabt (vgl. auch SCHÖNKE/SCHRÖDER/HEINE, a.a.O., § 25b; BERND SCHÜNEMANN, Strafgesetzbuch, Leipziger Kommentar, Bd. 1, 12. Aufl. Berlin 2007, § 25 N 125 je mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BGHSt). Die blosse Aufforderung zur Tat wäre in diesem Kontext als Anstiftung zu erfassen, denn bei einer auf der Basis des Rechts arbeitenden Organisation muss erwartet werden, dass rechtswidrige Anweisungen nicht befolgt werden (CLAUS ROXIN, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. II, München 2003, § 25 N 130; vgl. auch ders., Organisationsherrschaft als eigenständige Form der mittelbaren Täterschaft, ZStrR 125/2007, 17 ff.; vgl. auch SCHÜNEMANN, a.a.O., § 25 N 122 f.). In dieser Hinsicht gelangt die Vorinstanz zum Schluss, der in der Anklage umschriebene Sachverhalt erlaube es nicht, in objektiver und subjektiver Hinsicht zu bestimmen, welche konkreten strafbaren Tatbeiträge dem Beschwerdegegner im Hinblick auf den Tatvorwurf der Anstiftung zur Urkundenfälschung im Amt zur Last gelegt werden und welche Wirkung diese bei der Täterschaft hervorgerufen haben sollten (angefochtenes Urteil S. 24). In diesem Punkt ficht die Beschwerdeführerin das vorinstanzliche Urteil nicht an (E. 3.5, Hervorhebungen durch mich).