Modalitäten der Massnahmenverlängerung

Stationäre Massnahmen i.S.v. Art. 59 StGB bzw. der damit verbundene Freiheitsentzug werden üblicherweise für die gesetzliche Höchstdauer von fünf Jahren angeordnet. Das gesetzliche Maximum – so könnte man meinen – ist  in der Praxis also die Regel. Die Vollzugsbehörden richten die Vollzugspläne aber nicht etwa an dieser gesetzlichen Höchstdauer aus, sondern gehen von Anfang an und erfahrungsgemäss zu Recht davon aus, die stationäre Massnahme  werde ja sowieso verlängert. Die Regel ist daher vielmehr, dass das gesetzliche Maximum in Wirklichkeit das Minimum darstellt.

Doch damit nicht genug. Die Vollzugsbehörden und die Justiz schaffen es kaum je, dass ein Verlängerungsentscheid vor Ablauf der ursprünglich angeordneten Dauer ergeht. Um die Betroffenen für die dadurch entstehende Lücke nicht in die Freiheit entlassen zu müssen, wird daher Sicherheitshaft angeordnet, die in der Praxis nie verweigert wird (wer mir das Gegenteil belegen kann, dem danke ich bestens). Damit stellt sich jeweils die Frage, ab wann der Verlängerungsentscheid zu wirken beginnt. Dies hat das Bundesgericht nun entschieden (BGer 6B_643/2018 vom 05.09.2018):

Da also der Freiheitsentzug zwischen dem Ablauf der gesetzlich oder gerichtlich festgesetzten Massnahmedauer und dem rechtskräftigen Verlängerungsentscheid einen mit der stationären Behandlung verbundenen Freiheitsentzug darstellt, rechtfertigt es sich, dass die neue Dauer nahtlos nach Ablauf der vorherigen Dauer beginnt beziehungsweise weiterläuft (E. 1.7.3).

Das scheint die einzig richtige Lösung zu sein und kompensiert die m.E. rechtswidrig erfolgte Verlängerung.

Eine Erwägung möchte ich hier zitieren, weil ich sie nicht verstehe:

Ungenau ist der Einwand, bei der Beurteilung der Schwere der Persönlichkeitsstörung handle es sich um eine Rechtsfrage. Wie der Gutachter zu Recht zu Bedenken gibt, hat der psychiatrische Sachverständige im Rahmen seiner medizinischen Feststellungen Ausführungen zum Schweregrad einer psychischen Störung vorzunehmen (…). Juristischer Natur ist demgegenüber die Frage der rechtlichen Relevanz der medizinischen Diagnose. Mit anderen Worten obliegt die Beurteilung, ob eine vom psychiatrischen Sachverständigen diagnostizierte psychische Störung als schwer im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB zu qualifizieren ist, dem Gericht (vgl. Urteile 6B_28/2017 vom 23. Januar 2018 E. 3.4; 6B_993/2013 vom 17. Juli 2014 E. 4.6) [E. 1.4, Hervorhebungen durch mich].

Entscheidet denn nun der Gutachter, was Rechtsfrage ist? Und wie verhält es sich mit einer Erwägung des Bundesgerichts aus einem anderen Entscheid (BGer 6B_290/2016 vom 15.08.2016 E. 2.3.3)?

Einzig psychopathologische Zustände von einer gewissen Ausprägung oder relativ schwerwiegende Arten und Formen geistiger Erkrankungen im medizinischen Sinne vermögen diesen Anforderungen zu genügen und können als geistige Abnormität im rechtlichen Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB qualifiziert werden (vgl. Urteile 6B_926/2013 vom 6. März 2014 E. 3.2; 6B_967/2010 vom 22. März 2011 E. 6.3; 6B_681/2010 vom 7. Oktober 2010 E. 3.3; je mit Hinweisen).